Der Wiederaufbau der Strecke von Fürstenberg(Oder)/ Eisenhüttenstadt nach Finkenheerd/Lossow nach 1945
Der Abbruch meiner Lehre als Jungwerker hatte für mich keine Veränderung gebracht. Ich reihte mich in den Kreis meiner Kollegen ein, um mit zu helfen die Kriegsschäden am Bahnhof Fürstenberg (Oder) und der Strecke nach Finkenheerd zu beseitigen.Zunächst reparierten wir das Dach des Empfangsgebäudes, das durch Beschuss am 4.2.1945 kleine Dachschäden erlitten hatte. Als Dachdecker stellte sich mein Onkel, Otto Bock, der spätere Fahrdienstleiter, des Stellwerks "Frb," zur Verfügung, dem ich als "Handlanger" diente. .
Einige Monate später hatte sich unsere Gruppe von Eisenbahnern auf Weisung der sowjetischen Stadtkommandantur Fürstenberg (Oder) auf dem Gelände der noch im Bau befindlichen Braunkohlengrube Vogelsang einzufinden. Das Werk war Kohleproduzent für das dazugehörige Kraftwerk Vogelsang am Oderdamm. Wir hatten die Aufgabe, Reparationsmaterial aus den Werkhallen des Betriebes wie Maschinen, Werkzeug und Elektromaterial in einen Güterwagen zu verladen. In einer Arbeitspause sah ich mir das Grubengelände etwas näher an und entdeckte ein Gebäude, dessen Fenster zum Splitterschutz zugemauert waren. Ein loser Stein ließ mich aber ins Innere schauen und war sehr überrascht. Ich sah die Grubenbahnlok dieser Anschlussbahn, die auch auf Reichsbahngleisen zugelassen war. Das war für uns Eisenbahner eine Freude. Denn wir hatten zu dieser Zeit nach dem Krieg weder auf dem Bahnhof Fürstenberg noch auf anderen Bahnhöfen bis Frankfurt (Oder) eine Rangierlok.Diese aber brauchten wir sehr dringend um zu unseren Streckenbaustellen zu kommen. Wir beschlossen, das Fahrzeug betriebsfähig zu machen. Aber woher die Kohle nehmen? Denn wir brauchten zunächst Brennmaterial zum Anzünden. Ein Rest war ja noch in der Tenderlok vorhanden. So sammelten wir in der Umgebung Holz und sonstiges Brennmaterial und begannen die Lok anzuheizen. Das Wasser für die Lok war noch vorhanden. Es dauerte aber gewisse Stunden, ehe wir den notwendigen Dampfdruck erreichten. Ich muss noch erwähnen, dass es in unserer Arbeitsgruppe viele Sparten von Eisenbahnern gab, die sich hier am Einsatz beteiligten. Der öffentliche Eisenbahnbetrieb lief ja noch nicht.So beteiligten sich am Einsatz Bahnunterhaltungsarbeiter, Schrankenwärter, Weichenwärter, Fahrdienstleiter, der spätere Vorsteher des Bahnhofs Fürstenberg (Oder), Herr Gerhard Scholz, und zu unserem Glück zwei Kollegen des örtlichen Rangier-Lokpersonals unseres Bahnhofs. So der Lokführer Erich Lange und sein Lokheizer Erich Gräfe, beide aus Fürstenberg (Oder). Ohne deren Hilfe hätten wir das kommende "Unternehmen" gar nicht starten können. Schließlich war die Lok fahrbereit und die Freude groß! Wir fuhren auf dem Grubenbahn-Anschlussgleis vorbei an Kleingärten, kreuzten den Weg an der Blockstelle Vogelsang und gelangten über das Wärterstellwerk "Zob,"dann zum Bahnhof Ziltendorf. Von dort auf dem Streckengleis zum Bahnhof Fürstenberg (Oder). Später dann bis zum Bahnhof Finkenheerd. Dort war aber zunächst Schluss, denn dort waren die Gleise unter der Straßenbrücke über den Bahnhof am Stellwerk noch durch Trümmerbauteile unbefahrbar und sperrten die Fahrten nach und von Frankfurt (Oder). An die Lok hängten wir dann später noch einen hergerichteten Güterwagen als Mannschaftswagen. Dieses "Gespann" bestimmte nun fortan unsere täglichen Fahrten zu den Baustellen zwischen den Bahnhöfen Fürstenberg (Oder) und Finkenheerd. Wie das alles so möglich war, dass wir damals eigenmächtig mit dem Fahrzeug ohne Zustimmung und Genehmigung der sowjetischen Stadt-Kommandantur in Fürstenberg (Oder) handeln konnten, ist mir heute noch ein Rätsel. Offenbar war unser Vorhaben und das Fahrzeug unbekannt oder aber es war kein Reparationsobjekt. Ich kann mich auch an keinen der sowjetischen Soldaten erinnern, dass sie uns überhaupt beaufsichtigten. Wir waren bei unserer Arbeit frei und unbeaufsichtigt. Leider konnte ich mich nach den Jahren mit keinem meiner damaligen Kollegen über dieses Unternehmen unterhalten, sie waren alle älter als ich und sind verstorben. So bin ich der letzte dieser Arbeitsgruppe und somit auch der letzte Zeitzeuge. Deshalb habe ich mich bemüht, meine Erlebnisse objektiv und wahrhaft zu schildern. Wie zu erwarten war, hatten wir mit unserer Lok ein Problem! Unsere spärlichen Kohlevorräte waren nahezu erschöpft. Wie es weiter ging, berichte ich im nächsten Beitrag-
Fortsetzung des Berichts der Fahrt mit unserer Lok nach Bahnhof Finkenheerd
Schließlich
waren wir auf dem Bahnhof Finkenheerd
angekommen. In Richtung
Frankfurt (Oder) konnten wir mit unserer Lok nur bis Finkenheerd fahren.
Ab Finkenheerd lag vom Kraftwerk bis Frankfurt (Oder) und weiter nur Breitspur.
Damals sah ich zum ersten Mal eine große, schwere, sowjetische Dampflokomotive,
die vorn von 2 aufgesessenen Soldaten mit Maschinenpistolen begleitet wurde. Das
andere Streckengleis (2. Gleis) war bereits demontiert und die Schienen als
Reparationsobjekt abgefahren worden. Hinter dem Bahnhof Lossow in Richtung
Frankfurt(Oder) führte das Gleis in der Lossower Kurve über eine
gesprengte Eisenbahnbrücke. Sowjetische Pioniere errichteten hier eine
eingleisige Behelfsbrücke. Über diese
sollten später zwei Streckengleise mittels einer Gleisverschlingung
geführt worden. Das war eine besondere Gleiskonstruktion, die früher mal bei
Bauarbeiten errichtet wurde. Diese wurde hier aber vermutlich kaum benutzt, da
ja danach das zweite Gleis demontiert wurde.
Nach kurzer Zeit hatten wir, wie zu erwarten war, mit unserer Lok ein Problem! Unsere spärlichen Kohlevorräte der Anschlußbahnlok waren erschöpft. Wir hatten aber festgestellt, dass auf der Betriebsstelle Lossow in den letzten Kriegstagen zwei Loks beladen mit Steinkohle standen. Als ich damals die Fahrzeuge entdeckte, sah ich, dass zwischen zwei Wagen auf der Schraubenkupplung eine halb verweste, männliche Leiche lag. Welch ein schrecklicher Anblick. Nach Monaten sah ich in der Nähe der Unfallstelle einen Grabhügel mit einem Strauß Feldblumen. Vermutlich wurde hier der Tote bestattet. Nun wieder weiter mit unserer Lok. Wir waren froh, für unser Fahrzeug Kohle gefunden zu haben. Es war uns aber klar, dass wir diese nicht so ohne weiteres transportieren konnten. Mit einem Rottenwagen der Bahnmeisterei ging es nicht wegen der Breitspur. Da kamen wir auf die Idee, es mit einem Einschienenwagen zu versuchen. Diesen kannte ich von meiner Ausbildung in der Rotte der Bahnmeisterei. Das Fahrzeug läuft mit zwei kleinen, hintereinander angeordneten Rädern, ohne den Spurkranz für Eisenbahnfahrzeuge, nur auf einer Schiene. Damit es nicht umkippt, muss es mit einer Eisenstange gehalten und geführt werden. Auf dem Fahrzeug befand sich ein abnehmbarer Holzkasten mit einem Ladevolumen von etwa 200 Kg. Es wird auf den Gleisbaustellen zum Transport von Werkzeug und Material innerhalb einer Baustelle verwendet. Für den Transport von Kohle über mehrere Kilometer wäre das aber hier eine Schinderei. So war es dann auch! Ich wurde mit einem älteren Kollegen, Herrn Wilhelm Rex, zum Kohlefahren bestimmt. Wir beluden unser Fahrzeug mit möglichst viel Steinkohle und zurück ging die Fahrt Richtung Bahnhof Finkenheerd. Allein das Laufen auf den Schwellen und im Schotter, sowie das Halten des schweren Wagens mit der Stange, fiel mir sehr schwer. Zu meinem Ärger entgleiste mir mehrmals das Fahrzeug und wir mussten es mit der schweren Last mühevoll auf die Schiene des umgespurten Gleises setzen. Ich hatte wieder mal nicht aufgepasst! Der Herr Rex war mir böse. Außerdem mussten wir aufpassen, dass nicht von hinten ein Zug kam. Endlich kamen wir am Haltepunkt Kraftwerk Finkenheerd an. Wir kippten unsere Ladung ab, denn bis in den Bahnhof Finkenheerd konnten wir nicht fahren, da das Gleis durch herabhängende, gesprengte Bauteile der Straßenbrücke am Stellwerk Fnt noch unbefahrbar war. Die Kohle wurde später von dort von unserer Lok über das nebenliegende Anschlussbahngleis des Kraftwerks zum Bahnhof Finkenheerd übernommen. Unsere Fahrten mit der Lok gingen im Jahre 1946 auf dieser Strecke noch weiter bis der Eisenbahnbetrieb langsam in Schwung kam. Ich war ab 1947 nicht mehr bei der Bahnmeisterei als Jungwerker, sondern setzte meine Ausbildung nun als Reichsbahn-Betriebsjunghelfer beim Bahnhof Fürstenberg (Oder) fort. Dabei wurde mir ein Jahr für die Ausbildung in der Bahnmeisterei erlassen. Das demontierte Kraftwerk Vogelsang und die Kohlengrube blieben als Ruine stehen, die Anschlussbahn wurde demontiert. Sie wurde für die stark zerstörte Strecke im Oderbruch dringend gebraucht. Ich dachte dabei manchmal wehmütig an die Zeit, wo wir einst das Gleis mit unserer Lok befahren hatten. Es freut mich aber, dabei gewesen zu sein.
Bernhard Lehmann
Meine Ausbildung bei der Deutschen Reichsbahn im Jahre
1944 als Rb-Jungwerker bei der Bahnmeisterei Fürstenberg (Oder)
/Eisenhüttenstadt
Am 1.4.1944 begann ich als noch 13-jähriger meine Lehre
als Jungwerker bei der Bahnmeisterei (Bm) im damaligen Fürstenberg(Oder), an der
ich leider keine guten Erinnerungen habe..
Zu diesem Beruf kam ich über einen Bekannten meiner Mutter aus unserem
Ort. Dieser war im Büro der Bm als Rb-Sekretär tätig. Bei unserem Gespräch wegen
meiner Lehrstelle sagte er, dass dies möglich sei, es aber auch noch eine andere
Stelle beim Bahnhof Fürstenberg (Oder) als Rb- Betriebsjunghelfer gäbe. Als
meine Mutter das Wort "Bahnhof" hörte, erwiderte sie:" Nein, nein, nicht zum
Bahnhof, da ist es mir zu gefährlich wegen der Fliegerangriffe." Somit blieb es
bei der Wahl in der Bahnmeisterei (Bm), was nach heutiger Sicht eine
Fehlentscheidung war.
So ging ich nun zu meiner künftigen Dienstelle, zunächst ins Büro. Dort
waren 2 Sekretärinnen und Herr Schulze tätig. Der Leiter der Dienstelle war der
Bahnmeister, der techn. Rb.-Ober-Inspektor Vogt. Ihm begegnete ich zwar täglich,
aber er war sehr arrogant, sprach kein Wort mit mir und ignorierte mich völlig.
Er fragte nicht einmal, was ich hier im Büro mache.
Ich dachte, ich würde mal etwas Wissenswertes zu meiner Ausbildung
erfahren oder den Lehrvertrag und den Ausbildungsplan erhalten. Aber nichts
geschah! Ich wurde mit Büro-Arbeiten
beschäftigt, sollte Listen anlegen und die Dienstvorschrift "Dienst- und
Lohnordnung der Arbeiter der DR" lesen. Danach sagte Frau Ortmann, die Chefin
des Büros, ich könne ihr jetzt mal bei der Lohnrechnung helfen.
Da waren Lohnlisten aufzurechnen und noch einige andere Arbeiten zu
erledigen. Es kam die Zeit, wo
diese Lohnrechnung wieder fällig war. Diesmal machte ich aber vieles ohne
Anleitung selbst. So auch die Bearbeitung der Belohnung für
Heißläufer-Meldungen. Frau Ortmann hat nur noch alles kontrolliert und ich bekam
das erste Lob. Nun war ich mit meiner Arbeit der Lohnrechnung soweit fertig, so
dass nur noch das Lohngeld von der örtlichen Bahnhofskasse zu holen war. Diese
befand sich im späteren Bahnhofsbüro, gegenüber dem Stellwerk. Ich holte es, und
tat es in Lohntüten. Dann fragte mich die Frau, ob ich das Geld nicht zu den
Beschäftigten zu den Schrankenposten der Strecke fahren würde. Ich sagte zu,
verstaute es in meiner Tasche und fuhr mit meinem Fahrrad an der Bahnstrecke in
Richtung Ziltendorf, den schmalen Radweg entlang, bis zum Bahnhof Finkenheerd.
Zuerst zum Schrankenposten 103, dann weiter gleich hinter dem Bahnhof
Fürstenberg (Oder), vorbei an dem links der Strecke gelegenen, großen
Kriegs-Gefangenenlager "Stallag" vorbei, zur Blockstelle Vogelsang, von dort zum
Schrankenposten 99, dann weiter zum Wärterstellwerk "Zob" des Bahnhofs
Ziltendorf, nun zum Schrankenposten 92 am Haltepunkt Wiesenau und zuletzt zum
Bahnhof Finkenheerd. Damit hatte ich alle Lohngelder ausgezahlt. Sicherlich war
das ausnahmsweise nur mal eine erwiesene Gefälligkeit für die Beschäftigten
dieser Strecke, die so ihren Lohn nicht von der Bm abzuholen brauchten.
Weiterhin hatte ich in Finkenheerd in den Eisenbahner-Wohnungen die
Elektrozähler abzulesen. Einmal hatte ich sogar mal am Bahndamm der Strecke nach
Neuzelle Hagebutten gepflückt und in Neuzelle, dem Wohnort des Herrn Schulze,
leere Wein-Flaschen gesammelt. Für ihn hatte ich auch die Dienstpost für
Dienststellen in Frankfurt (Oder) zu überbringen. So zum damaligen
Rb-Betriebsamt, wo Herr Schulze öfter mit dem "Amtmann Böhmfeld" telefonierte
und ihn dabei immer mit seinem Dienstrang ansprach. Auch hatte ich Post zur
damaligen Reichsbahndirektion Osten in Frankfurt (Oder) zu bringen.
Berufsschulunterricht oder eine schulische Unterweisung bei den Arbeiten hatte
ich nicht. Auf meine Frage, wo ich denn den nächsten Tag arbeiten soll, sagte
man mir, dass ich in die " Rotte " zu Herrn Rottenmeister Adam gehen sollte.
Hier waren alles ältere Kollegen mit einem Hilfsrottenführer, zu dem ich
Vertrauen hatte. Die kleine Gruppe von Bahnunterhaltungsarbeitern waren für
größere Gleisbauarbeiten zu wenig. Dafür wurden der Dienststelle sowjetische
Kriegsgefangene gestellt. Diese kamen von einem kleinen Lager am Stellwerk Fst
(W 2). Das waren alles sowjetische
Offiziere mit ihrem Leiter, dem Dolmetscher Wassili, der ihnen die Aufträge des
Rottenmeisters übermittelte. Der Rottenmeister, Herr Adam, hätte eigentlich mein
Ausbilder gewesen sein können. Er hat sich aber gar nicht um mich gekümmert, nur
dann, als ich verbotener Weise den Gefangenen etwas zu essen gab und mich dabei
erwischte. Darüber ist bereits hier der Bericht enthalten: "Ein gefährliches
Erlebnis als Jungwerker im Jahre 1944. Ich
habe mich dann selbst an den Arbeiten beteiligt, auch an solchen, die für mich
als Lehrling in meinem Alter nach den UVV der DR verboten waren. So habe ich
mich auch beim Tragen von Schienen und Schwellen, als auch beim Auskoffern und
Schwellenstopfen an den Arbeiten beteiligt. Als "Auskoffern" verstehen wir das
Entfernen der Schottersteine mit der Schottergabel zwischen den Schwellen, zum
Zwecke der Bettungsreinigung. Heute erfolgt das durch Maschinen. Unsere
Schienensäge wurde mittels einer pendelnden Stange, von zwei Gefangenen
betätigt. Ich hatte dabei das Sägeblatt mit Wasser zu kühlen. So vergingen die
Tage bei Gleisbauarbeiten auf dem Bahnhof Finkenheerd.
Täglich beobachteten wir die Züge, die aus dem Osten kamen, auf denen
Flüchtlinge mit ihren Gespannen, halb eingeschneit vorbeifuhren.
Der Krieg schlug nun auch in Fürstenberg (Oder) ein, denn gegenüber der
Güterabfertigung traf eine Granate das Haus von Schniersteins. Man sagte mir:
"Junge, du siehst was hier geschieht, fahr nach Hause!"
Zu Hause in Vogelsang sah ich wie eine Vierlingsflak in Stellung ging und
dann in Richtung der Oder einige Salven abfeuerte. Das "Echo" folgte mit einem
Granatwerferbeschuss des Dorfes. Am späten Nachmittag des 3. Februar 1945 sind
wir dann, beladen mit einem Handwagen, geflüchtet.
Wir waren die ersten Rückkehrer von der Flucht in der
noch völlig verlassenen Stadt Fürstenberg (Oder). Aber in die Stadt, über den
Oder-Spree-Kanal zu kommen, war nicht möglich. Alle Brücken, einschließlich der
Eisenbahnbrücken, mit Ausnahme der beiden an der Schleuse, waren gesprengt. Die
Brücke in der Beeskower-Str, über die ich bis zum Bahnhof gehen wollte, lag in
der Mitte eingenickt im Wasser. Ich sah aber eine Möglichkeit diese auf den
ausgelegten Brettern zu überwinden. In der Stadt war es bedrückend ängstlich,
denn es war niemand zu sehen. Dabei habe ich mich eigentlich in Gefahr begeben,
denn die Front konnte nur vor wenigen Tagen aus der Stadt abgezogen sein, wir
waren am 29.Mai 1945 schon zurück von der Flucht. Wir blieben aber noch
vorläufig auf den Diehloer- Bergen, bevor wir in Fürstenberg (Oder) eine Wohnung
bekamen, denn unser Haus war völlig zerstört. Nach einigen Wochen meldete ich
mich bei meiner Dienststelle zum Wiederaufbau. Die
Fortsetzung meiner Ausbildung als Jungwerker war nicht möglich, was ich auch
nicht bedauerte. Der damalige Bahnmeister sagte mir, dass ich mich als
Betriebsjunghelfer beim Bahnhof Fürstenberg (Oder) bewerben solle, was ich dann
auch tat. Bei der 3-jährigen-Ausbildungszeit wurde mir ein Jahr erlassen.
Bernhard Lehmann
(95 Jahre)
Dipl.-Ing.-Päd.
Ein Erlebnis
im
Rangierdienst
Ein anderes Erlebnis
im
Rangierdienst hatte ich beim Aufhalten
von
Wagen
mit einem Hemmschuh. Dort sollte ich einen abzustoßenen Güterwagen an
der
Ladestraße aufhalten. Ich nahm einen Hemmschuh
und legte ihn vorschriftsmäßig auf die Schiene. Als das erste Rad den
Hemmschuh berührte, stieß es diesen zu meiner Überraschung von der Schiene
hinunter. Ich wartete bis der laufende Wagen mir den Zugang zum Hemmschuh frei
gab. Diesen nahm ich sofort auf, rannte mit ihm und überholte den rollenden
Wagen, um ihn erneut aufzulegen. Jetzt achtete ich aber besonders auf die
vorschriftsmäßige Auflage des Hemmschuhs auf der Schiene. Der Wagen näherte sich
diesem und wurde wieder abgestoßen. Ich war nun schon sehr in Aufregung und
außer Atem, aber ich versuchte es noch einmal und dachte: " Alle Dinge sind
Drei! ". Aber es nutzte auch diesmal nichts!
Der Wagen lief ungebremst in
den südlichen Teil des Bahnhofs, in den Stellwerksbezirk "Fst" (später" W2").
Dabei näherte er sich einer Gleissperre, die in
Sperrstellung (Signal Gsp 0) stand.
Ich wußte was das
bedeutet. Eine Entgleisung des Fahrzeugs, falls die Gleissperre nicht abgelegt
wird. Somit hätte ich den ersten Bahnbetriebsunfall ausgelöst !
Doch jetzt fiel mir ein Stein vom Herzen, als ich sah, wie der Entgleisungsschuh
der Gleissperre von der
Schiene abklappte
(Signal Gsp 1) und jetzt keine Entgleisungsgefahr mehr bestand.
Der Wagen lief jetzt im Gefälle ungebremst weiter, an der Schutzweiche und dem
Stellwerk W 2 vorbei, in das Anschlußbahngleis "Alter Hafen" und kam dort in
einer Kurve zum Stehen. Damit ging dieser Vorfall noch einmal gut aus.
Es war der guten Aufmerksamkeit des Weichenwärters Herrn Richard Schubel
zu verdanken, der mein vergebliches Bremsmanöver aus der Ferne beobachtete, und
und die Gleissperre umstellte.
Wäre die Gleissperre für eine Zugfahrt als Flankenschutz unter
Fahrstraßenhebelverschluß gewesen, hätte er die Gleissperre nicht umstellen
können. Der Wagen wäre dann entgleist !
Schuld war an allem der ungeeignete Hemmschuh. Er paßte in seiner Form nicht zur
Schienenform des Ladestraßengleises ( Form 8 ).
Er
war zu breit und wurde vom Spurkranz des Rades abgestoßen.
Ich meldete den Vorfall und bedankte mich bei dem sehr aufmerksamen,
verantwortungsbewußten Weichenwärter.
Kupplerraum zwischen zwei Fahrzeugen von oben gesehen
Mein Erlebnis bei der Ausbildung als Betriebsjunghelfer im Jahr 1947/48 auf
dem Bahnhof Fürstenberg (Oder)
Die meisten Erlebnisse hatte ich während meiner Ausbildung im Rangierdienst. Ich wollte diesen Dienst nicht nur, wie meistens geschehen, nur vom Stellwerk aus beobachten und die Dienstvorschriften darüber studieren, sondern nach Möglichkeit auch die Praxis kennen zu lernen. Dabei war mir bewußt, dass ich Betriebshandlungen nicht eigenmächtig, sondern nur unter Aufsicht ausführen durfte. Aber wie das immer so ist, man gewann zu mir Vertrauen, das ich durch besonders umsichtiges und verantwortungsbewußtes Handeln nicht enttäuschen wollte. Man vertraute mir sogar selbständig einzelne Rangierarbeiten ohne Rangierleiter auszuführen. So das Umsetzen der Pendelzüge von Frankfurt(O) und das Bedienen der Anschlüsse Alter Hafen, Getreidespeicher am Kanal und der Glashütte.
Einmal aber war ich in großer Gefahr! Es war auf der Ladestraße des Bahnhofs in Fürstenberg(O), später Eisenhüttenstadt. Dort wurde oft mit einer langen Wagengruppe des Leig (Leichter Eilgüterzug), mit der Zuglok rangiert. Dabei wurde von der Ladestraße bis zum Stellwerk "Frb"(B 1) über den beschrankten Bahnübergang und der Weiche 2 vorgezogen. Dies war notwendig, um Wagen von der Ladestraße aufzunehmen oder abzusetzen, wobei ich das Kuppeln der Wagen übernehmen sollte. Der Rangierleiter war Herr Willi Mai aus Fünfeichen. Er befand sich in der Mitte der langen Rangierabteilung, um die Rangiersignale, die ich von der Ladestraße zum Kuppeln der Wagen gab, aufzunehmen und an den Tfz-Führer zu übermitteln.Ich erwartete die geschobene, lange Wagengruppe. Der Rangierleiter gab das Rangierhaltsignal, um langsam an die aufzunehmenden Wagen heranzudrücken. Die Rangierabteilung hielt und ich trat zum Kuppeln ins Gleis. Da die Wagen noch nicht kuppelreif standen, gab ich das Signals "Aufdrücken" (Ra 3). Nahm die Schraubenkupplung, machte sie zum besseren Kuppeln etwas lang und kuppelte die Wagengruppe. Doch unerwartet setzte sich die Rabt in Bewegung. Ich gab sofort das Rangierhaltsignal Halt( Ra 5). Das hörte der Rangierleiter, er gab das Signal mit Signalpfeife an den Lokführer weiter. Auf Grund der Länge der Rangierabteilung wurde vom Lokführung irrtumlich das Signal "kommen" aufgenommen. Die Rangierabteilung drückte nicht nur weiter, sondern erhöhte noch die Geschwindigkeit. Jetzt bekam ich Angst, ich kam aus dem Kupplerraum zwischen den Wagen nicht mehr raus! Verzweifelt gab ich das Haltsignal. Um nicht umgestoßen zu werden, mußte ich im Kupplerraum mitrennen. Das gelang mir aber nur kurze Zeit, denn im Ladegleis befanden sich große Haufen von Braunkohlenasche der Loks, die dort in der Ladestraße ihre Aschkästen entleert hatten. Ich kam längs im Gleis zu Fall. Die Rangierabteilung aber schob immer weiter. Ich wußte, dass mir nichts passieren konnte solange ich ruhig, ausgestreckt im Gleis liegen blieb und so nicht in den Fahrzeugbegrenzungsraum nach der BO ( Eisenbahn-Bau- und Betriesordnung) hineinragte. Zum Glück hielt dann aber die Rangierabteilung und ich kroch schnell vom Wagen hervor.
Der Rangierleiter, Herr Mai, hat die gefährliche Situation beobachtet und schimpfte über den Lokführer. Er bestätigte mir dass ich das Signal zum Aufdrücken richtig gegeben hatte. Entweder hat der Lokführer das Signal "Aufdrücken" nicht aufgenommen oder es mit dem Signal "Ra 2 " (kommen) verwechselt. Die große Länge der Rangierabteilung begünstigte die Verwechslung des Rangiersignals zwischen dem Rangierleiter und Lokführer führte. Zum Aufnehmen der Wagen hätte die lange Rangierabteilung getrennt werden müssen. Es ist aber noch einmal alles gut gegangen.
So habe ich mehrfach erlebt, wie gefährlich das Kuppeln und Bewegen von Fahrzeugen werden kann
Ich beende meinen Bericht mit einem Dank an alle, die mich seinerzeit ausgebildet haben.
Ab 1950 wurde durch einen Ministerratsbeschluss der DDR die berufspraktische Ausbildung in eine Facharbeiterausbildung im Betriebs- und Verkehrsdienst umgewandelt und bis zur Wende fortgeführt.
Bernhard Lehmann
Vogelsang
Eine akrobatische Fahrkartenkontrolle während meiner Ausbildung
Eine anspruchsvolle und interessante Tätigkeit war die Fahrkartenkontrolle im Zugbegleitdienst. Sie wurde von einem Zugschaffner, bei dem ich an diesem Tag zur Ausbildung war, sehr außergewöhnlich und gefährlich praktiziert. Im Jahre 1947 hatten wir auf der Strecke Frankfurt(O) - Fürstenberg- Guben noch Pendelverkehr. Die Züge begannen und endeten im damaligen Bahnhof Fürstenberg(O). Mein Zugschaffner war Herr Walter vom Pbf Frankfurt(Oder). Die Fahrkartenkontrolle sollte beginnen. Der Zug bestand ausschließlich aus Abteilwagen, wo ein Durchgang von Wagen zu Wagen nicht möglich war. Es war auf der Strecke in Richtung Frankfurt (O). Zwischen dem Haltepunkt Wiesenau und dem Bahnhof Finkenheerd öffnete Herr Walter während der Fahrt die Abteiltür, stieg draußen auf das lange Trittbrett des Wagens und hielt sich an den seitlichen Haltestangen fest. Bevor er die Abteiltür öffnete, kündigte er das durch lautes Klopfen an. Damit wollte er Reisende warnen, die eventuell unmittelbar vor der Tür standen und somit gefährdet werden könnten. Dann stieg er ein und ich hinterher! Die Reisenden waren erschrocken, was hier geschah! Im Abteil war es durch mit Blech verschlagenen Türen, in denen nur sehr kleine Fensterscheiben waren,auch am Tage etwas dunkel. Der Schaffner trug im Brustumhang eine speziell für die DR als Gerät hergestellte, leuchtende Karbidlampe aus Messingblech. Wie ich weiß, wurde sie immer schön geputzt und war der Stolz vieler Zugbegleiter. Er achtete darauf, dass die Reisenden nicht geblendet wurden und hielt seine Hand vor die Lampe. Nachdem die Fahrausweise aller Fahrgäste geprüft wurden,wünschten wir gute Weiterfahrt und stiegen wieder so aus, wie wir gekommen sind, während der Fahrt. Dann hangelten wir uns von Abteil zu Abteil bis zum Wagenende. Zum nächsten Wagen kamen wir aber nur nach einem Halt des Zuges. So ging es bis zum letzten Wagen von Abteil zu Abteil bis zum Endbahnhof. Herr Walter hatte nichts dagegen, dass ich diese Praxis mitmachte und lobte mich sogar. Er sagte nur, ich solle sehr vorsichtig sein. Zum Glück fuhren die Züge nicht so schnell und außerdem war durch das demontierte 2. Gleis die Strecke eingleisig. Den Sinn dieser Kontrollmethode sah ich darin, dass mein Zugschaffner den Ehrgeiz hatte, während der Fahrt zwischen zwei Haltebahnhöfen möglichst viele Abteile zu besteigen, um in allen Abteilen die Fahrausweise bis zum Endbahnhof prüfen zu wollen. Das wäre aber sonst durch die wenigen Haltebahnhöfe der Strecke nicht möglich gewesen. Ob dieses Verfahren überhaupt zulässig war und nicht im Widerspruch zu den damals noch geltenden "Unfallverhütungsvorschriften (UVV)" der DR stand, wusste ich ja nicht. Die seitlich angebrachten Stangen und das lange durchgehende Trittbrett waren sicherlich für die Außenreinigung des Wagenkastens angebracht. Sie hatten aber auch in den ersten Nachkriegsjahren 1945 einen gefährlichen, wie fraglich nützlichen Zweck. So bei den so genannten " Hamsterfahrten" während der Fahrt des Zuges, wo sich Personen nicht nur stehend auf die seitlichen, durchgehenden Trittbretter daran festhielten, sondern auch auf Wagendächer kletterten und ebenso verboten waren wie unsere Akrobatik bei der Fahrkartenkontrolle.
Bernhard Lehmann Vogelsang damals 17 Jahre
Bericht von Frau Gunda Raschke (geb. Sarke) Vogelsang über das tragische Schicksal ihres Vaters bei den Kämpfen um Vogelsang 1945
Von den Erzählungen meiner Mutter und von meinen Erinnerungen weiß ich folgendes: Am 3.Februar 1945 - es war Sonnabend, ein kalter Wintertag. Mein Großvater mütterlicherseits, mein Bruder Bernhard Schulz (12 Jahre), meine Mutti und ich (7 Jahre) verließen mit dem Handwagen, ein paar Habseligkeiten drauf, wegen der sich nähernden Front fluchtartig Vogelsang. Die Sowjetarmee stand schon an der Oder und beschoss das Dorf. Beim Nachbar schlug bereits eine Granate ein und wir hatten große Angst. Wir verließen das Dorf unter Beschuss und gingen nach Politz, wo inzwischen noch mehr Flüchtlinge aus Vogelsang waren. Mein Vati, Max Sarke, war Fahrdienstleiter auf dem Bahnhof Ziltendorf und wollte zu uns nachkommen. Wir hatten damals eine kleine Landwirtschaft mit Ackerland und Vieh. Daher beschlossenen mein Vati und mein Onkel, am 5. Februar noch einmal nach Vogelsang zu gehen, um die Tiere zu füttern und dann freizulassen. Danach gingen sie zu unserem Haus am Friedhofsweg, in dem wir damals wohnten, in Richtung Dorf und wollten nach Politz zu uns zurück kommen. Inzwischen gelang es einer Spitzengruppe der Roten Armee die deutsche Front in Vogelsang vom Kraftwerk her zu durchbrechen und in den oberen Teil des Dorfes einzudringen. Mein Vati trug die Eisenbahneruniform. Die Männer wurden gefangen genommen. Sie benutzten sie als Schutzschilde, indem sie die beiden auf der Straße, dem heutigen Buchwaldweg, in Richtung Dorfstraße vor sich her trieben. Ohne Rücksicht auf die beiden Zivilpersonen eröffnete die deutsche Seite das Feuer. Mein Vati und die Sowjetsoldaten wurden tödlich getroffen und mein Onkel schwer verletzt. Er wurde in ein Lazarett gebracht und wieder geheilt. Meinen Vati begruben die Soldaten im Vorgarten der Familie von Gertraud Budach, jetzt Tschätsch, (direkt rechts an der Straßenkurve im Vorgarten). Nach unserer Rückkehr von der Flucht setzten meine Mutti und Opa ihn auf dem Friedhof bei.
Nachruf
Die Frau Gunda Raschke und auch ihr Ehegatte Joachim, meine gute Nachbarn, sind leider schon früh verstorben. Bernhard Schulz war ihr Bruder und Dienstvorsteher des Rangierbahnhofs Frankfurt (Oder), mein Studienkollege im Fernstudium und danach Direktor der Betriebsschule des Reichsbahnamtes Frankfurt (Oder). Ihr Andenken werden wir in Ehren halten.
Bernhard Lehmann
Minenräumung 1945 in Fürstenberg(Oder) / Eisenhüttenstadt und Umgebung
Da unser Haus in Vogelsang zerstört war, wohnten wir nach 1945 bis zum Bau einer Notwohnung einige Jahre in Fürstenberg (Oder). Da wurden die Einwohner öfter aufgefordert, zum Rathausplatz der Stadt zum Arbeitseinsatz zu kommen. Zu vermuten war das Zuschippen von Schützengräben, meistens am Oderdamm. Ich ging hin und traf dort auch einige Jugendliche etwa gleichen Alters. Nun geschah etwas, was ich auch nicht vergessen werde. Es näherte sich ein sowjetischer Offizier der Stadtkommandantur. Ich erkannte ihn sofort. Es war Wasili, der Dolmetscher des oben erwähnten Bericht des ehemaligen, sowjetischen Gefangenenlagers der Bahnmeisterei Fürstenberg (Oder). Er erkannte und begrüßte mich freundlich. Seine ersten Fragen waren: "Wo ist A...?" Ich sagte, dass ich das nicht wisse. Gemeint war die in einem Bericht geschilderte Begegnung mit dem Rottenmeister. Vermutlich wurde er in den letzten Monaten nicht mehr Soldat und war vom Kriegsdienst "U. K." (unabkömmlich) freigestellt, da er in einem kriegswichtigen Betrieb, wie die DR, beschäftigt war.
Ich möchte kurz schildern, was der sowjetische Offizier auf dem Marktplatz überhaupt wollte. Wir gingen zum Stadtende in Richtung Vogelsang bis zum alten Krankenhaus der Stadt. Gegenübrer des alten Krankenhauses und des Wasserturms am Stadtrand. Quer über der Straße lag noch eine unbeseitigte deutsche Panzersperre! Der Offizier
sagte, dass unter den gefällten Bäumen noch Minen lägen, die von uns zu entschärfen und zu beseitigen waren. Sie lagen sichtbar im Asphalt auf der Straße. Diese Sprengkörper waren nur für schwere Fahrzeuge, hauptsächlich für Panzer und gepanzerte Fahrzeuge wirksam. Der Offizier unterwies uns wie die Minen zu bergen waren.
Wir lagerten sie vorsichtig neben der Straße zum Abtransport. Es war aber nicht auszuschließen, dass sich nicht auch im näheren Umkreis noch Schützenminen lagen. Diese fanden wir auch abseits der Straßensperre auf dem angrenzenden Grundstück der Autowerkstatt Schmädicke. Sie waren in in der Größe einer Zigarrenkiste mit liegenden Zünder. Diese beseitigten wir, übersahen aber leider doch einige. Wie ich erfuhr, soll dort noch jemand zu Schaden gekommen sein. Als wir mit der Arbeit fertig waren, war aber noch lange nicht Schluss. Der Offizier zog mit uns in Richtung Vogelsang, kurz vor der Kurve, an der sich jetzt noch ein Baggersee befindet, zu einem noch größeren Minenfeld mit sowjetischen Panzerminen. Es waren Sprengkörper, wo die Sprengladung mit dem Zünder in einem rechteckigen Holzkasten lag. Wir sahen diese auf dem Feld durch erkennbare frische Erdaufschüttungen. Nun wurde uns gezeigt, wie wir die Minen zu entschärfen hatten. Wir öffneten die Kästen und hoben vorsichtig ohne Druck den Zünger heraus.Vorsichtig deshalb, weil im Zünder ein geölter Stift war, der den Schlagbolzen ausloste, wenn er herausgedrückt wurde Diese Zünder trugen wir dann, möglichst mit nur wenigen in der Hand, vorsichtig und getrennt von den Minen, zu einem Sammelplatz. Diese sollten kurze Zeit darauf gesprengt werden. Jetzt konnten wir nach Hause gehen, sollten aber am nächsten Tag wieder auf dem Marktplatz sein. Zuhause erzählte ich meine Erlebnisse meiner Mutter. Sie war entsetzt, was sie da hörte und untersagte mir, auf keinen Fall dort noch einmal hinzugehen. Sie fügte hinzu, dass sie notfalls mitkommen und dem Offizier um eine Befreiung bitten werde. Sie kam mit und er stimmte zu. Vielleicht hat er sich sogar noch daran erinnert, dass es meine Mutter war, die mir das Brot für seine Kameraden gab. Später erfuhren wir, dass die Gruppe diesmal am Kanal in Fürstenberg in der Nähe des STALAG am Kanal ging, wo sie auf ein Feld von deutschen Tellerminen trafen. Diese waren sehr viel gefährlicher als die am Vortage, weil sie ohne spezielle Suchgeräte nicht zu finden waren. Da kam es so, wie es kommen mußte, zu einem schweren Unfall, der in der Stadt Aufsehen erregte. Drei Jugendliche (darunter der Jugendliche Krippner) wurden bei diesem "Unternehmen" getötet, davon einer durch die Bergung ihrer verletzten Kameraden. Da waren wir froh, dass ich an diesem Tag zuhause bleiben durfte.
Bernhard Lehmann
Ein gefährliches Erlebnis bei der Ausbildung als Jungwerker bei der Bahnmeisterei Fürstenberg (Oder) im Jahr 1944.
Die Bahnmeisterei Fürstenberg (Oder) hatte ein Lager mit sowjetischen Kriegsgefangenen. Mit denen arbeitete ich täglich unmittelbar zusammen. Diese bekamen nur spärliches Essen. Meistens Suppe aus Trockengemüse (Rübenschnitzeln). Sie hatten Hunger und fragten mich, ob ich ihnen nicht etwas zu essen mitbringen könne. Sie stellten Spielsachen her und wollten sie mir dann geben. Aber ich bedankte mich, nahm es nicht, denn mit 14 Jahren war ich aus dem Alter heraus. Mir taten die Gefangenen leid und ich bat meine Mutter, mir doch mal etwas Brot für sie mitzugeben. Mein Chef, der Rottenmeister A....., durfte es aber nicht sehen. Eines Tages aber erwischte er mich! Er hatte beobachtet, als ich einem Gefangenen etwas gab. Dieser nahm es, versteckte es unter seinem Mantel und ging schnellen Schrittes zu seiner Gruppe. Da rannte plötzlich der Rottenmeister "A ..." dem armen Kerl mit gezogener Pistole hinterher (er war Waffenträger)! Dabei brüllte er schrecklich: " ...Schmeiß das ...weg!" Das tat dieser auch und ließ das Brot fallen. Ängstlich stand er nun vor dem Rottenmeister. Dann kam er auf mich zu und sagte mit drohender Stimme: „Du, ich sage Dir, wehe bringst du den Gefangenen noch einmal etwas zu essen mit, dann fliegst du aus der Lehre und Ihr werdet bestraft. „Ihr wisst doch, dass es streng verboten ist, den Kriegsgefangenen was zu geben!" Da bekam ich es mit der Angst zu tun und tat es auch nicht mehr. Der Krieg ging auch bald zu Ende. Täglich sahen wir Züge mit offenen Wagen, in denen sich deutschen Flüchtlingen aus dem Osten befanden, die auch von den Kriegsgefangenen gesehen wurden. Was werden sie wohl gedacht haben, was mit ihnen in den nächsten Monaten wohl werden wird ? Wo die Gruppe der Bahnmeisterei Fürstenbergt (Oder) verblieben ist, weiß ich nicht. Der Dolmetscher, Wassilli, kam in die Stadtkommandantur. Diesen traf ich später bei einem Arbeitseinsatz, worüber ich noch berichte.
Bernhard Lehmann
Viel Arbeit und am Schluß, ein heftiger Schlag ins Wasser !
Es war das Jahr 1946, die Zeit, wo ich mich seit dem 1. 4. 1944 noch als Rb-Jungwerker-Lehrling mit 3-jähriger Ausbildung bei der Bahnmeisterei Fürstenberg (Oder) in Ausbildung befinden sollte. Diese Ausbildung wurde aber am 3. 2. 1945, an meinem letzten Ausbildungstag, durch Kriegseinwirkungen unterbrochen. Nach dem Krieg meldete ich mich sofort bei meiner Dienststelle, um aktiv am Wiederaufbau unserer Strecke vom Bahnhof Fürstenberg (Oder) nach Finkenheerd/Lossow teilzunehmen. Es war damals aber nicht möglich meine Ausbildung fortzusetzen. Auf eigenen Wunsch und mit Zustimmung meiner Dienststelle bewarb ich mich im Jahre 1947 beim Bahnhof Fürstenberg(Oder), dem späteren Eisenhüttenstadt, zur 3-jährigen Ausbildung als Rb-Betriebsjunghelfer. Dabei wurde mir ein Jahr von der ersten Lehre erlassen. Über diese neue Ausbiludng sind im Internet unter www.Eisenbahnfreunde-ffo.de/ Geschichte/Eisenbahner erzählen..., Erlebnisberichte veröffentlicht.
Die beiden Eisenbahnbrücken auf der Strecke nach Neuzelle waren gesprengt. Die an der Zwillingschachtschleuse lag in der Mitte eingeknickt im Wasser und wurde als Stahlbrücke schnell wieder aufgebaut. Die andere, über den Alten Kanal, aber war zerstört. Sie wurde von sowjetischen Pionieren durch eine eingleisige, hölzerne Behelfsbrücke ersetzt.
Die Brandgefahr dieser Brücke bereitete den Verantwortlichen der Bahnmeisterei Fürstenberg(Oder) große Sorgen. Nachlässigkeiten in der Betriebssicherheit bei der DR wurden von der sowjetischen Besatzungsmacht manchmal als Sabotage geahndet. Diese Brandgefahr mag vielleicht auch den Oberrottenmeister Fritsche veranlasst haben, die Holzbrücke gegen Brand zu sichern und mit Bleche benageln zu wollen. Aber woher sollten wir diese nehmen? Herr Fritsche, der sich meiner Ausbildung als Jungwerker annahm, erinnerte sich, dass beim Bahnhof Finkenheerd noch herangefahrene, ausgebrannte D-Zugwagen standen. Diese hatten Wagenkästen aus mehreren Millimeter starkem Stahlblech. Er wollte sie in handliche Stücke schneiden lassen. Zum Befestigen brauchten wir aber Nägel, die wir auch nicht hatten. Geeignet wären da etwas stärkere, möglichst kurze, mit breitem Kopf gewesen. Da kam ich auf die Idee, sie aus alten Holzschwellen zu gewinnen. Diese enthielten einen Schwellennagel mit einem runden, breiten Kopf mit einer Jahreszahl, die Tränkung der Schwelle. Mit der Zange zog ich so einige Nägel heraus. Die Nagellöcher der schweren Platten waren bereits gebohrt und lagen zum Einbau bereit. Das "Unternehmen“ konnte beginnen. Mir war dabei nicht wohl, da für mich die Stahlplatten bei dieser gefährlichen Arbeit immer noch zu schwer waren. Nun sagte der Meister, ich solle auf den 1. Stützpfeiler des hölzernen Brückenwiderlagers hinunterklettern. Er würde sie mir dann zureichen. Ich solle dabei aber sehr vorsichtig sein, dass ich nicht hinunterfalle! War das von ihm nicht sehr leichtsinnig? Ich bin der Meinung, dass Herr Fritsche als Aufsichtsführender sich seiner Verantwortung nicht genügend bewusst war, in welcher Gefahr er mich da brachte. Er hätte wissen müssen, dass solche Arbeiten nur unter besonderen Sicherheitsmaßnahmen von Fachleuten aber nicht mit diesem Material durchgeführt werden dürfen und schon gar nicht mit einem Jugendlichen, der noch ein Lehrling von 16 Jahren war.
So kletterte ich ohne Sicherung nach unten zu den Brückenbalken. Unter mir das Wasser des Kanals in denen noch gesprengte Brückenteile herausragten und über mir das Gleis! Ein sehr ungewohnter, gefährlicher Anblick! Herr Fritsche rief mir zu, dass er mir jetzt eine Platte zureichen werde. Ich nahm eine Sicherheitsstellung ein und ahnte nichts Gutes. Die schwere Stahlplatte konnte ich in meiner gebückten Haltung kaum halten, setzte sie mit großer Kraftanstrengung erst mal ab. Als ich sie platzieren wollte, konnte ich sie jedoch nicht mehr halten. Sie entglitt meinen Händen. Obwohl ich versuchte sie festzuhalten, fiel sie mir mit einem heftigen Schlag ins Wasser. Dabei hatte ich noch Glück, dass sie mich nicht hinterherriss. Wir brachen die Arbeiten ab. Die Brücke wurde später mit Kies gesandet und brandschutzmäßig bewacht, wofür ich als Brückenposten im Schichtdienst eingesetzt war. Dafür wurde eine Bude als Dienstraum vor der Brücke mit einem OB- Fernsprecher aufgestellt, der in das Zugmeldeverfahren einbezogen wurde. So hatte ich die Brücke vor jeder Zugfahrt auf glühende Braunkohlenasche und Brände untersuchen.
Nach jedem Zugmelderuf hatte ich mich zu melden: " Hier Brückenposten Lehmann: Keine besonderen Vorkommnisse" oder die Art der Schäden zu melden. Darüber wurde ein Fernsprechbuch geführt. Erst dann folgte die Zugmeldung. An diese Zeit denke ich oft, wenn ich mit dem Auto über die parallel liegende Straßenbrücke des Kanals fahre, dabei zur Eisenbahnbrücke sehe und an die Behelfsbrücke wie auch an die Trümmer der alten, gesprengten denke, die mein Tod hätten bedeuten können.
Bernhard Lehmann
Mit gestibitzten "Weißen Bohnen" 1947 wegen fehlender Lehrbücher zum Einkauf von Lehrheften für unsere Ausbildung als Reichsbahn-Betriebsjunghelfer nach Leipzig gefahren.
Ich hatte mir im Jahre 1944 in meiner Ausbildung als Jungwerker der Bahnmeisterei einige Lehrstoffhefte gekauft.
Diese Bücher sind mir leider beim Brand unseres Wohnhauses in Vogelsang durch Kriegseinwirkungen 1945 vernichtet worden.
Ich wusste aber zum Glück noch, in welchem Verlag sie erschienen waren. Es war der Verlag: "Verkehrswissenschaftliche Lehrmittelgesellschaft Reinhold Rudolf" in Leipzig- Markkleeberg. Ob dort noch Reststücke vorhanden sein könnten, war fernmündlich nicht zu ermitteln. Deshalb begab ich mich mit noch einem Lehrling,
meinem schon jetzt verstorbenen Kollegen Bernhard Schulz, mein früherer Nachbar, mein Kollege im Ingenieur-Fernstudium, der Dienstvorsteher des Rangierbahnhofs Frankfurt (O) und später als Lehrer, mein Direktor an der Betriebsschule, auf die Reise nach Leipzig.
Damit wir dort vom Verlag nicht gleich abgewiesen würden, habe ich mir etwas Besonderes ausgedacht. Ich wusste, dass seinerzeit in den Nachkriegsjahren Geld allein nicht gefragt war. Vielmehr waren es Lebensmittel, die wir aber in dieser Zeit selbst wenig hatten. Da kam ich auf die Idee, dass meine Mutter in der Speisekammer noch eine kleine Menge "Weißer Bohnen" von der eigenen Ernte hatte. Diese, als Eintopfgericht gekocht, aßen wir beide sehr gern und half uns gut über die Nachkriegsjahre.
Ohne zu fragen, nahm ich diese und versteckte sie bis zur Abfahrt des Zuges außerhalb unseres Hauses. Die Fahrt nach Leipzig verlief beklemmend und abenteuerlich. Die Fenster der Abteilwagen waren mit Blech verschlagen, in denen sich nur eine kleine, rechteckige Fensterscheibe als "Guckloch" befand. Ich hatte zum ersten Mal eine solche weite Reise unternommen und dann noch nach Leipzig, einer Großstadt, die stark durch Bombenangriffe zerstört war! Somit kamen mir Bedenken, wie es dort wohl mit unserer Orientierung sein werde. Wir wussten nicht einmal wo der Stadtteil Markkleeberg lag, ob es den Verlag überhaupt noch gab und wie wir dort hinkommen sollten. So fragten wir uns dann mühevoll auf dem Hauptbahnhof durch und fuhren weiter mit der Straßenbahn. Der Zustand dieser Wagen war ähnlich unserer Abteilwagen. Auch hier waren die Türen mit der kleinen Fensterscheibe mit Blechen verschlagen. Der Fahrgastraum war ziemlich dunkel. Wir erkundigten uns des Öfteren, ob und wann wir aussteigen müssten. Schließlich waren wir am Ziel und standen vor einem Wohnhaus in einer unzerstörten Villengegend. Es war das gesuchte Verlagshaus der damaligen " Verkehrswissenschaftlichen Lehrmittelgesellschaft Reinhold Rudolf Leipzig " in Markkleeberg, dass wir äußerlich nicht als solches ansahen.
Wir klingelten. Es öffnete eine Dame, wir stellten uns vor und ich erzählte bittend unser Anliegen. Damit diese uns nicht sofort abwies, sagte ich, dass wir zum Dank für ihre Hilfe für sie auch etwas mitgebracht hätten. Ich zeigte ihr die Tüte mit den weißen Bohnen und sie freute sich. Vielleicht hatte sie auch etwas Mitleid mit uns, als wir sagten von wo wir kamen, eine beschwerliche Reise hinter uns hatten und dazu noch Lehrlinge waren. Sie sagte, sie werde im Lager nachsehen, ob noch Reste solcher Hefte vorhanden seien. Wenn ja, dann können wir sie haben. Wir gingen mit in den Verkaufsraum. Sie zeigte uns die Hefte und wir kauften sie. Es waren folgende Titel: " Block- und Stellwerksdienst", " Wagenkunde der DR " und "Einführung in die Kenntnisse des Oberbaus“. Wir bedankten und verabschiedeten uns. So waren wir froh, dass unsere Fahrt Erfolg hatte.
Die Heimfahrt war noch beschwerlicher als die Hinfahrt. Den vorgesehenen Zug erreichten wir nicht mehr. Der nächste fuhr erst am frühen Morgen. So mussten wir müde die Nacht im überfüllten Wartesaal des Leipziger Hauptbahnhofs zubringen. Zum Glück fanden wir noch einen Sitzplatz. Als wir zu Hause ankamen, erwarteten uns unsere Eltern sorgenvoll. Meine Mutter aber freute sich über mein erfolgreiches "Unternehmen". Ich entschuldigte mich später für die unerlaubt entwendeten Bohnen, was sie mir verzieh, als sie erfuhr zu welchem Zweck ich das tat.
Bernhard Lehmann
Das ist das Bfs-Büro-Gebäude des Bahnhofs Fürstenberg, ab 14.11.1961 Bf. Eisenhüttenstadt, das ich schon seit dem 1. 4. 1944 her kannte, als ich als Jungwerker bei der Bahnmeisterei meine Ausbildung begann. Hier war auch die Bahnhofskasse von der ich nach der Lohnrechnung, die ich als 14-Jähriger schon selbst fertigen durfte, abzuholen und einzutüten hatte. Alles wurde natürlich von der Sekretärin überprüft. Dann fuhr ich mit dem Fahrrad bis Finkenheerd die Strecke ab, zu den Schrankenposten 103 und 99, der Blockstelle Vogelsang, zum Halktepunkt Wiesenau zum Schrankenposten 92, um sie den Beschäftigten unmittelbar auszuzahlen und dann wieder zurück. Da kommen mir manchmal solche Gedanken, wie das damals so war. Aber lange, lange ist es her !
B.Lehmann