Interwiev am 27.02.1996 mit

Horst Berger, geboren am 06.03.1920

Horst Berger ist in Tiegenhof Kreis Großeswerder, Freie Stadt Danzig geboren. Einen Monat vor Kriegsende wurde er wegen einer Verwundung von der Wehrmacht entlassen.

Am 11.September 1945 nahm er eine Tätigkeit bei der Bahnpolizei Revierwache Malchin im Bereich der Rbd Schwerin auf. 1947 erfolgte seine Versetzung nach Güstrow und kurze Zeit später die Entlassung aus dem Polizeidienst.
Vom Bahnhof übernommen, wurde er als Schaffner und Kleinlokbediener ausgebildet und eingesetzt.

Auf eigenen Wunsch, vor allem wegen der besseren Versorgung mit Lebensmitteln, wurde er 1949 zum Kolonnendienst nach Berlin versetzt.
Von der Einsatzstelle für Lokbrigaden (P17), die im Direktionsgebäude (vermutlich Schöneberger Ufer) im Keller untergebracht war, wurde er zur Kolonne 8 nach Wustermark geschickt.

Der russische Kolonnenleiter hieß Stasko oder so ähnlich. Parteisekretär war Feldmann und BGL-Vorsitzender Stenzel. Der Namen des deutschen Leiters war ihm entfallen. Der Wohnwagen in Wustermark gehörte zur 50/504. (siehe Foto)

War diese Lokkolonne vorher in Berlin-Rummelsburg stationiert?
Das ist mir nicht bekannt. Ich war nur kurze Zeit von März bis April 1949 in Wustermark und wurde dort auch vor unserer Umsetzung nach Frankfurt (Oder) nicht mehr eingesetzt.

Wie erfolgt der Umzug nach Frankfurt (Oder)?
Die Lokkolonne 8 zog in den ersten Apriltagen 1949 nur mit ihren Wohnwagen nach Frankfurt (Oder). Wir waren in Frankfurt (Oder) zunächst auf dem Gleis 115 Fgs (Frankfurt (Oder) Süd - Stellwerksbereich) und dann später in den Baugleisen des Personenbahnhofes abgestellt. Erst dort erhielten wir wieder eine Lok zugeteilt.
Ende 1950 sind wir nach Frankfurt (Oder) Vbf (Verschiebebahnhof) umgezogen. Am Eingang des Bahnbetriebswerkes stand rechts hinter dem heutigen Pförtnergebäude ein Schnellzugwagen, der die Lokleitung beherbergte.

Welche Planlokomotiven hatte die Brigade?
52 177 Brigade 41, Brigadeführer Schmidke
52 2295 Brigade 41, Brigadeführer Tauberich
50 005   Brigadeführer Kelmer  (Foto der Lok von 1952)
Unsere Verwaltung war im Gebäude der Bahnmeisterei untergebracht, tätig war dort u.a. Heinz Kahle und Günter Nitschke.

Welche Strecken sind Sie gefahren?
Vorwiegend Frankfurt (Oder) - Brest, aber auch über Küstrin nach Gerdauen. Etwa drei mal war ich nach Rawa-Ruska und einmal nach Jagodin. Die letzten Strecken wurden vorwiegend von Cottbuser Kolonnen gefahren.
Mein Einsatz erfolgte bis Mitte 1953 als Schaffner und dann als Lokheizer.

Kannten sie Handschuhmaxe?
Ja, er Sprach akzentfreies Deutsch und war recht intelligent. Sein richtiger Namen war Gubschel oder so ähnlich. Ich habe ihn später mal in Frankfurt getroffen und wir haben miteinander gesprochen. Bei Kontrollen hat er versucht mich auszufragen.

Was wurde geschmuggelt?
Kugelschreiber, Nuckel, Pariser (Kondome), Spritzen. Am Uhrenschmuggel habe ich mich nicht beteiligt, das war zu gefährlich. Bei einer Lok war am Tender ein Reserveluftbehälter eingeschweißt, der Innenraum war vom Tenderumlauf zugänglich. Wir mußten deshalb immer drauf achten, dass Kohlenreste auf dem Umlauf lagen.

Wie war das Verhältnis zu den russischen Begleitkommandos?
Gut, sie haben uns manchmal vor polnischen Übergriffen geschützt.

Wie war die Diensteinteilung?
Die Lokperonale hatten 8 Stunden Dienst und 16 Stunden frei. Nach der Einführung des 12er Systems hatten wir  8 Stunden Dienst und 6 Stunden Ruhe.  Problematisch war letzteres bei Unregelmäßigkeiten bzw. Kontrollen. Man hatte mitunter wenig Ruhe.

Wer hat gekocht?
Immer der, welcher es am besten konnte. In der Regel war ich das. Meistens war es einer vom Zugpersonal oder Wagenmeister, weil das am günstigsten mit der Freistellung war.
Wir haben sogar Kuchen gebacken im Herd und auch in der Feuerbuchse, wenn Gelegenheit dazu war und das Feuer nach vorn geschoben werde konnte.

Haben sie auch Gefangenentransporte durchgeführt?
Der Rücktransport von deutschen Kriegsgefangenen 1949/50 verlief in der Regel ohne besondere Vorkommnisse.

Gibt es noch Bemerkungen zur Unterkunft?
In den letzten Jahren hatten wir einen 1951 neu aufgebauten Brigadewagen mit Duscheinrichtung. Das Wasser dafür konnte von der Lok aus aufgeheizt werden. Der Zugführer hatte einen Platz von dem er über die Lok sehen konnte. Meisten saß er jedoch hinten im Brigadewagen.

Zweites Interwiev  mit Horst Berger am 11.11.1996:

Die Musikbrigade hatte einen extra großen vierachsigen Brigadewagen. Das Bahnbetriebswerk hat Anfang der fünfziger Jahre Musikinstrumente spendiert. Gespielt haben die Musiker u.a. in Brest und in Warschau auf dem Danziger Bahnhof.

Die Radreifen, Pufferteller usw. wurden in der ersten Zeit vorwiegend mit Karbidschlamm oder Kalk gestrichen. Das war billiger, hatte aber zur Folge, dass der Anstrich häufig erneuert werden mußte. Mit der Drahtbürste wurden die alten Reste entfernt, später wurde meistens Nitrofarbe verwendet.

Das Kollektiv von Horst Berger hat immer am Wettbewerb teilgenommen. Was im Einzelnem gewertet wurde, weiß er nicht mehr.

Die Bereitstellung zur Fahrt erfolgte auf den Gleisen 114 oder 115.
Als im Juni die Auflösung der Transitbrigaden erfolgte, wurden die Loks als Leerfahrt oder im Vorspann nach Frankfurt (Oder) zurück beordert.
 Er hat seine letzte Fahrt mit der Lok 52 5005 und einer Ladung Mähdrescher nach Brest gemacht.
Als sie zurück kamen war große Aufregung im Bahnbetriebswerk. Einige Brigadeführer mußten sich nun entscheiden ob sie bei der Freundin bleiben oder zur Familie zurückkehren.

Alle Schreibarbeiten, selbst das Ausfülen des Lokdienstzettels, hat der Zugführer erledigt. Nach der Ankunft in Frankfurt (Oder) erhielt er von jedes Brigademitglied 1 bis 2 Schachteln Zigaretten und dann ging er zur Leistungsabrechnung.

Um die Schuhe zu schonen, hatte das Lokpersonal auf der Lok sowie im Wohnwagen häufig Holzpantoffeln an.

Das russische Begleitkommando war mitunter im Besitz von Plombenzangen. Sie deponierten dann vorübergehend auch Schmuggelgut der deutschen  Personale in einen geschlossenen Wagen.

Zwischen Siedlice und Brest hat es auch Überfälle polnischer Partisanen auf die Transporte gegeben, wie er von anderen Brigaden erfahren hatte. Die russischen Begleitung konnte vor der Übermacht nur in Deckung gehen. Den Deutschen geschah nichts. Lebensmittel, vor allem Zucker  waren gefragt.

1949 haben zurückkehrende Kriegsgefange aus Dankbarkeit ihre Lok in Reppen geputzt, weil sich die Brigade, sicherlich nicht ganz uneigennützig, bemüht hat noch rechtzeitig vor Weihnachten die Heimat zu erreichen. In dem Transport waren auch viele verschleppte Frauen aus Ostpreußen mit dabei.