Die Gewinnung und Ausbildung des Eisenbahner- Nachwuchses
bei der Deutschen Reichsbahn (DR) bis 1945 und danach (1)*
Ein Rückblick von Bernhard Lehmann
Vogelsang an der Oder
BV-Ing. Fach-Ing. Dipl.-Ing.-Päd. Rb.-Rat i.R. , Lehrmeister (1.1.1950 ...1960), Lehrer in der Erwachsenenbildung (TBS), später AWW (1960..1964), seit 1964 Fachlehrer für den berufstheoretischen Unterricht, Abt.-Ltr.für die berufstheoretische Ausbildung 1983..1988, Oberlehrer an der Betriebsschule des Reichsbahnamtes Frankfurt (Oder), parteilos, Dienstalter bei der DR : 46,5 Jahre . (1.4. 1944.... 30.9. 1990), Jahrgang Mai 1930, seit 1990 im Vorruhestand/Rentner.
Obwohl ich nun schon über 20 Jahre Rentner bin und mein Lehrbeginn bei der DR jetzt 70 Jahre zurückliegt, denke ich manchmal an jene Zeit zurück, wie alles begann. Als noch nicht ganz 14-Jähriger nahm ich am 1.4.1944 bei der damaligen Bahnmeisterei (Bm) Fürstenberg (Oder), dem heutigen Eisenhüttenstadt, meine Lehre als Rb- Jungwerker auf. Diese Ausbildung brach ich nach dem Krieg auf eigenen Wunsch ab und setzte sie mit der Rb-Betriebsjunghelfer-Ausbildung auf dem Bahnhof Fürstenberg (Oder) fort. Ich erinnere mich noch als einer der letzten Zeitzeugen meines Alters an jene Zeit. So auch an meinen ersten Ausbildungstag in der Bm, der mit der Fahrt eines Arbeitszuges zu einer Baustelle der Strecke und wie körperlich anstrengend für mich doch die Arbeit im Gleisbau war. Dort arbeitete ich noch unmittelbar mit einer Gruppe von sowjetischen Kriegsgefangenen der Bm zusammen. Über meine Erlebnisse hier und beim Wiederaufbau unserer Strecken berichtete ich bereits. (1)*. Mein erstes Lehrjahr war das letzte Kriegsjahr und das Ende des Krieges war absehbar. So sah wie Züge mit Flüchtlingen, die aus dem Osten kamen und mit ihren Pferden und Wagen auf offenen Güterwagen befördert wurden. An den Tendern der Lokomotiven stand die Losung: "Räder müssen Rollen für den Sieg !" Eine ähnliche Wand-Inschrift mit dem Flügelrad befand sich auch im Aufenthaltsraum für Bahnunterhaltungsarbeiter, mit dem Appell an "Ehre und treue Pflichterfüllung der Belegschaft bis zum Endsieg. "
Als Lehrling war ich bestrebt, möglichst viel Wissenswertes über die Eisenbahn zu erfahren. So las ich, wie alle Beschäftigten, das Amtsblatt der Reichsbahndirektion Osten in Frankfurt (Oder) und hatte das in einem Nachweis zu bestätigen. Weiterhin studierte ich auch die Dienstvorschriften. Das waren die " Unfallverhütungsvorschriften (UVV)" und die " Dienst-und Lohnordnung für Arbeiter der DR (Dilo)." Damit bekam ich erstmals einen Einblick in das sehr umfangreiche Vorschriftenwerk der DR, mit dem ich später im Beruf noch sehr viel zu tun haben sollte. Vieles Wissenswertes erfuhr ich über die beliebte "Zeitschrift für das Eisenbahn- Bildungswesen" der DR, der "Eisenbahnfachmann". So informierte ich mich auch über die Gliederung der Belegschaft der Eisenbahn, der ich nun auch angehörte und gebe hierzu nachfolgend einen Überblick. Dieser erhebt wegen der unterschiedlichen Strukturen in den Hauptdienstzweigen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
1. Überblick über die Personalstruktur der Deutschen Reichsbahn vor 1945
Bei der DR unterschied man nach Arbeiter (z.B.Bahnhofsarbeiter, Weichenreiniger, Güterbodenarbeiter), Angestellte, Beamte, Nachwuchskräfte oder Dienstanfänger, im technischen- oder nichttechnischen Dienst. Diese waren entweder im einfachen-, mittleren-, gehobenen- oder im höheren Dienst tätig.
In den Bahnmeistereien waren es die Oberrottenmeister, Rottenmeister, Rottenführer, Hilfsrottenführer, Bahnunterhaltungsarbeiter (Bua), auch Weichenreiniger und Streckenläufer, die dort als Stammarbeiter oder Aushilfskräfte oder Lehrlinge (Jungwerker) tätig waren. Im weiteren gab es dann die Angestellten und das technische Personal mit dem Bahnmeister.
Die Bahnhöfe erlangten ihren Personalbedarf für den unteren und mittleren Dienst meistens über ihre Bahnmeistereien. Das waren Blockwärter, Weichenwärter aber auch Fahrdienstleiter. Obwohl sie auf Bahnhöfen Dienst taten, gehörten sie stellenplanmäßig zur Bahnmeisterei. Ich kann mich noch von meiner Ausbildung im Bahnmeisterei-Büro beim Fertigen der Lohnrechnung erinnern, dass wir vom Bahnhof Fürstenberg (Oder) für diese Beschäftigten "Aushilfslisten" bekamen. Solche "Aushilfskräfte" waren begehrt, da sie den Eisenbahnbetrieb von der "Picke" auf kannten.
Einen Teil von Arbeitskräften erlangte die DR auch über die sog. "Langgedienten", den "12-Endern." Sie bewarben sich nach ihrem Dienst zur Ausbildung in den Verwaltungen der DR sowie den Bahnhöfen und versprachen sich jeweils einen guten Aufstieg als Beamter im mittleren oder gehobenen Dienst. Der höhere Dienst war aber meistens den Absolventen von Technischen Hochschulen und Universitäten sowie den , Assessoren, Juristen und Promovierten vorbehalten.
2. Ausbildungsmöglichkeiten und Dienstränge vor 1945
Einen Teil Ihres Stammpersonals für den mittleren und gehobenen Dienstes zog sich die DR auch über die Laufbahn-Bewerber heran. Die Ausbildung begann bei bestandener Vorpüfung nach einem vom Rb-Betriebsamt oder Rb-Verkehrsamt aufgestellten Ausbildungsplan. Sie endete bei Rb-Betriebsjunghelfern (Voraussetzung: Mittlere Reife) nach einer anschließenden einjährigen Aspirantenausbildung mit einem Abschlusslehrgang und der Prüfung zum "nt. Rb-Assistenten (Ras)". Für den gehobenen Dienst (Voraussetzung: Oberschul- Fachschulbildung) war es die Ausbildung als Rb-Inspektor-Anwärter, die mit der Prüfung zum " nt. Rb-Inspektor (RI)" abschloss. So war es auch bei den Rb-Baujunghelfern der Hochbaumeistereien (Hbm) auch Bahnmeistereien, welche die Prüfung zum "techn. Rb-Assistenten" und bei den Inspektoren Anwärtern, zum" techn. Rb-Inspektor". Weiterhin gab es die Ausbildung zum Rb-Verkehrslehrling, dessen Ausbildung ausschließlich im Reise- und Güterverkehr erfolgte .In der Bahnmeisterei war es die Ausbildung zum "Rb-Jungwerker" , welche mit dem Prädikat "Stammarbeiter der Bm" endete. Die so nach der Prüfung erlangte Qualifikation war Voraussetzung für die Attestierung in einem oder höheren Dienstrang und ggf. einer höheren Besoldungsgruppe als Beamter. Bei entsprechenden Leistungen konnte der Beschäftigte befördert werden. Sie erfolgte meines Wissens aber nur bis zu einem solchen Dienstrang, der durch seinen erlangten "Prüfungsgrad" gedeckt war. So war bei abgelegter Prüfung im mittleren Dienst zum Rb-Assistenten (RAS), eine Beförderung nur bis zum "Rb-Obersekretär (ROS)" möglich. Im gehobenen Dienst nach der Rb-Inspektor-Prüfung (RI) dann bis zum "Rb-Oberamtmann (ROA)". Darüber hinaus bei den Diensträngen des höheren Dienstes war ab dem Dienstrang "Rb.-Rat (RR)" bis zum "Rb- Hauptrat (RHR)" ein Studium an einer Hochschule oder Universität erforderlich.
(Siehe hier z.B. einige höhere Dienstränge bei den damaligen Beamten der Rbd Osten in Frankfurt(O) unter: http://eisenbahnfreunde.transnet-ffo.de/Rbd%20Osten/Startseite.html
Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass die Laufbahnausbildungen nicht jedem Bewerber zugänglich waren. So wurden nicht nur Voraussetzungen an Vorbildung, Eignung, dem betrieblichen Bedarf, sondern auch parteipolitische Bedingungen des damaligen NS-Staates gestellt. Auch eine Übernahme in eine Planstelle nach der Ausbildung war nicht garantiert. Die Zeit des Krieges und die Parteizugehörigkeit erhöhten aber ihre Chancen beim Einsatz auf Bahnhöfen der früheren deutschen Ostgebiete und der im Krieg besetzten Länder.
3. Uniformen und Dienstränge bei der DR nach 1945
Die DR führte 1950 zu den Weltfestspielen der Jugend und Studenten traditionsgemäß wieder Uniformen und später auch Dienstränge ein. Sie konnten jedoch nicht mit denen der DR vor 1945 gleichgestellt werden. Wie ich bereits ausführte, wurden die Dienstränge seinerzeit auf der Grundlage von Fach-Prüfungen verliehen. Diese waren jedoch für die Attestierung bei unserer DR nicht die alleinige Bedingung. Meines Wissens gab es folgende Merkmale: Die Arbeitsrate des Beschäftigten entsprechend des Stellenplanes seiner Dienststelle, sowie seine fachliche Prüfungen und seine gesellschaftliche Leistungen und Qualifikation. Dabei war es möglich und notwendig beim Fehlen gewisser Merkmale einen Eisenbahner nicht voll entsprechend seiner Arbeitsrate im Dienstrang einzustufen, sondern angemessen einen Grad oder mehrere darunter. Oft wurde er jedoch in Anerkennung seiner Verdienste voll attestiert, dabei sollte ihm aber angetragen werden, die erforderliche Fachprüfung nachzuholen, was er aber nur selten befolgt wurde.
Weiterhin waren auch Beförderungen möglich. Für langjährige treue Dienste und In Anerkennung ihrer geleisteten Arbeit bei der DR wurden Eisenbahner mit Vollendung von 40 Dienstjahren um einen Dienstrang höher befördert.
Allgemein aber hatte man den Eindruck, dass mit der Attestierung der Dienstränge großzügig und teilweise auch ungerecht verfahren wurde. Beschäftigte, die sich fachlich nicht qualifizierten, obwohl sie es tun konnten und mussten, sind so in höhere Dienstränge gelangt. Vermutlich wurde hier zum Ausgleich fehlender fachlicher Prüfungen, ihre gesellschaftliche Tätigkeit in ihrer Arbeitsrate überbewertet. Das wurde von vielen Kollegen als nicht gerecht empfunden und war ihrer Autorität abträglich.
4. Hoch-und Fachschulbildung vor und nach 1945
Die DR zog ihr ingenieurtechnisches Personal der Meistereien, wie z.B. der Bahnmeistereien, Hochbaumeistereien, Werkstätten und Verwaltungen meistenteils über Absolventen der Fach- und Hochschulen und von der Bau-Industrie heran. Ihr eisenbahntechnisches Fachwissen erwarben sie dann meistens über Fakultäten der Technischen Hochschulen, Universitäten und Fachschulen.
Die Heranbildung Ihre technische Intelligenz über ein spezielles Hoch- oder Fachschulstudium in der Eisenbahntechnik, wie es in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) durch ein Studium an der Hochschule für Verkehrswesen (HfV) in Dresden und ihrer Ingenieurschule für Eisenbahnwesen in Dresden bis zur Wende möglich war, gab es vor 1945 bei der DR nicht. Diese wurden erst in den Jahren 1950/51 durch die (DDR) geschaffen. Ebenso war es die Ingenieurschule für Eisenbahnwesen in Gotha - später dort die Ingenieurschule für Transportbetriebstechnik - die noch den Kraftverkehr einbezog. Damit war es erstmals möglich, Ingenieure für Eisenbahn-Betriebs- und Verkehrstechnik im Direkt- und Fernstudium auszubilden.
In der HfV gab es folgende Fakultäten: Eisenbahnbetrieb, Eisenbahn-Maschinenwesen, Eisenbahn-Sicherungs- und Fernmeldewesen, Verkehrsbauwesen, Eisenbahnbau, Ökonomie des Transportwesens und Fahrzeugtechnik.
Die Hochschule unterstand dem Ministerium für Verkehrswesen der DDR." Sie war die einzige Verkehrshochschule im deutschsprachigen Raum." Leider gibt es sie seit 1992 nicht mehr, denn sie wurde abgewickelt und geteilt. Der universitäre Teil der HFV wurde als 10. Fakultät der TU Dresden zugeordnet und die verbleibenden Ressourcen sollten später zum Aufbau einer Fachhochschule für Technik und Wirtschaft genutzt werden." (2)* Die Gründe ihrer Auflösung sind bemerkenswert. Sie erfahren Sie unter (2)*
(1)* http://eisenbahnfreunde.transnet-ffo.de/Lehmann/index.html
(2)* http://de.wikipedia.org/wiki/Hochschule_f%C3%BCr_Verkehrswesen
Lesen Sie auch meinen weiter führenden Bericht über:
Bernhard Lehmann
Vogelsang
April 2014