Eröffnung der Eisenbahn Berlin - Frankfurt a. O. |
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Vossische Zeitung | ||
Berlin, den 23. Okt. [1842] Am gestrigen Tage begingen wir hier ein neues wichtiges Fest in Beziehung auf unsre vaterländischen Eisenbahn-Angelegenheiten, das der feierlichen Einweihung der Bahn zwischen hier und Frankfurt a.O., welche von heut ab schon dem Publikum eröffnet ist. Die gehorsamste Anfrage der Direktion, ob Se. Maj. der König die Gnade haben möchten der Feier beizuwohnen, war von Höchstdemselben freundlichst, doch ablehnend beantwortet worden, indem Regierungsgeschäfte die Zeit Sr. Maj. zu sehr in Anspruch nehmen. Auch von den Königlichen Prinzen wohnte, durch verschiedene Gründe abgehalten, niemand der Feier bei. Desgleichen waren die hohen Staatsminister, obwohl sämmtlich zu derselben eingeladen, durch dringende Geschäfte, die sich für mehrere derselben besonders durch die gegenwärtige Versammlung der Landtagsausschüsse ungemein häufen, verhindert, dem großen industriellen Unternehmen, das durch die Eröffnung dieser Bahn nach mannigfaltigen Kämpfen und Hindernissen ins Leben tritt, ihre Theilnahme durch persönliche Gegenwart bei der Feier zu bezeugen. Doch wohnten viele höhere Staatsbeamte, vom Civil und Militair, der Festlichkeit bei, als Se. Excellenz der Herr General-Lieutnant von Colomb, Kommandant von Berlin, der Herr Ober-Präsident von Meding, der Herr Geheime Ober-Finanzrath Beuth, Herr Oberbürgermeister Krausnick, viele Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordneten, Räthe der Ministerien, höhere Baubeamte u.s.w.
Gegen neun Uhr hatten sich die genannten und eine große Anzahl anderer Gäste, im Ganzen etwa 250 Personen, auf dem hiesigen Bahnhofe versammelt. Derselbe war mit Kränzen und Fahnen geschmückt, welche letztere, ein Eigenthum der Stadt, durch die städtischen Behörden mit besonderer Bereitwilligkeit dargeliehen worden waren. Eine reich bekränzte Lokomotive »Posen« aus der Norris´schen Fabrik in Amerika, war die Zugführerin. Bald nach neun Uhr waren die Wagen von den Gästen und dem Personal der Direktion und des Verwaltungsraths, so wie von vielen Bahnbeamten, besetzt. Im Wagen zunächst der Lokomotive hatten die Direktion und der Verwaltungsrath ihre Plätze genommen. Unter dem Schall der Musik, die ihren Platz auf einem offenen Wagen zwischen der Locomotive und dem eigentlichen Zuge hatte, setzte sich der bedeutende Convoi in Bewegung. Beim herrlichsten Sonnenlichte, unter dem schönsten blauen Himmel, eine Wetterconstellation, die die Feier außerordentlich begünstigte, flog der Zug pfeilschnell durch die Wiesen vor dem Frankfurter Thore dahin, vor Rummelsburg und Stralau vorüber, und erreichte nach etwa zwanzig Minuten Köpnick. Der dortige Bahnhof hatte ein sehr freundlich festliches Ansehen; die Gebäude waren reich bekränzt, vier Fahnen, die der Städte Cöpenick, Fürstenwalde, Frankfurt und Berlin, wehten über den Laubgewinden; eine zahlreiche Menge erfüllte den Bahnhof und begrüßte den ankommenden Zug mit lautem Jubelruf. Der Bürgermeister Herr Sandner, der sich nebst den Mitgliedern des Magistrats und der Stadtverordneten auf dem Bahnhofe befand, begrüßte den Zug durch eine an den vorsitzenden Direktor der Gesellschaft, Herrn Treu, gerichtete Anrede, die dieser dankend erwiderte. Ein vielfach wiederholtes Lebehoch, und lauter Jubel theilte die Lüfte. Nachdem eine Anzahl von Personen aus Cöpenick die Wagen zur Weiterfahrt bestiegen hatte, setzte der Zug seinen Lauf fort, über den Anhaltpunkt Erkner nach Fürstenwalde, woselbst er kurz vor 11 Uhr eintraf. Auch dieser Bahnhof gewährte einen überaus freundlichen Anblick. Das Hauptgebäude war in seiner ganzen Front mit reichsten Kränzen und Fahnen geschmückt; zur Seite der Bahn hatten sich die Einwohner in dichten Schaaren aufgestellt, mit geschwenkten Hüten und Tüchern grüßend, und einen lauten Jubelruf erhebend. Die Schützengilde der Stadt war im Spalier aufgestellt; das Musikcorps des dort garsonirenden Cavallerie-Regiments ließ seine grüßenden Klänge erschallen. Die Stabs- und viele andere Offiziere des Regiments waren gleichfalls zugegen, und ein großer Kreis von Damen gab der Masse ein anmuthiges Leben. Der Bürgermeister Hr. Farthöfer und die Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordneten hatten sich auch hier zum Empfang der Ankommenden versammelt. Zu dem obern Geschoß des Bahnhofgebäudes, wo ein elegantes Gabelfrühstück gastlich dargeboten wurde, fanden die gegenseitigen freundlichen Begrüßungen durch Anreden und Erwiderungen statt, denen jedoch wegen des beschränkten Raums nur der kleinere Theil der Anwesenden beiwohnen konnte. Nach etwa zwanzig Minuten Aufenthalt setzte der Zug, dem sich nun auch aus Fürstenwalde zahlreiche willkommene Gäste angeschlossen hatten, seinen Weg fort. Von nun an beginnt der interessantere Theil der Bahn in so fern hier dem Unternehmen die größeren Schwierigkeiten entgegentraten. Das Dorf Briesen, eine Wasserstation, bildet den Anfangspunkt der starken Steigung, welche uns nach dem Thalrande der Oder hinaufführt, und die mit eben so sicherer theoretischer Einsicht als praktischer Geschicklichkeit von dem leitenden Baumeister der Bahn, Hrn. Ober-Ingenieur Zimpel, überwunden ist. Bis zu dem Dorfe Rosengarten steigt die Linie; von dort, wo sie den Gipfel der Wasserscheide zwischen Spree u. Oder erreicht, senkt sie sich abwärts bis zum Zielpunkt der Bahn auf den Anhöhen zunächst der Stadt Frankfurt. Die Landschaft bietet hier in der Sonnenbeleuchtung einen höchst anmuthigen Ueberblick über den weiten Lauf der Oder, bis zu den jenseitigen Höhen, und mehrere Meilen weit nach beiden Seiten, dar. - Der Eingang zu dem Frankfurter Bahnhofe war durch eine hohe Ehrenpforte, aus zwei großen Laub- und Blumensäulen bestehend, eben so freundlich als imponirend bezeichnet; der Bahnhof gleichfalls reich mit Guirlanden und Fahnen geschmückt, und von zahlreichen Zuschauern besetzt. Aufgestellte Böller gaben die Freudensalve des Empfangs, ein Militair-Musik-Corps begrüßte den Zug mit fröhlichen Klängen. Auf dem Bahnhofe befanden sich der Regierungs-Präsident Herr von Wißmann, der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt Hr. Gensichen, und eine große Anzahl anderer Beamter der Regierung, Post, Polizei, wie auch viele Offiziere der Garnison. ... Gegen zwei Uhr wurde unter abermaligem Schall der Böller und der Musik und tausendstimmigem Jubelruf der Anwesenden die Rückfahrt angetreten, durch die man Berlin in etwa drei Stunden noch bei Tagesschimmer wieder erreichte.
Am Tag der feierlichen Eröffnung erschien erstmalig eine Annonce, mit der die Bahngesellschaft die Aufnahme des öffentlichen Verkehrs- des Personenverkehrs ab 23.Oktober und des Güterverkehrs ab 31.Oktober 1842 bekannt gab; der Viehverkehr wurde erst am 23.Januar 1843 aufgenommen. |