Hauptdienststellen des Amtsbezirkes Frankfurt (Oder)
vom 01.01.1992 bis 31.12.1993
Frankfurt (Oder) Rbf
Booßen, Rosengarten Güterbahnhof, Oderbrücke
Frankfurt (Oder) Pbf
Rosengarten Pbf, Müllrose, Mixdorf, Grunow, Weichensdorf, Jamlitz, Tauer, Schneeberg, Oegeln Hp, Beeskow, Buckow Hp, Lindenberg-Glienicke, Scharmützelsee
Kietz
Podelzig, Gorgast, Golzow,Werbig, Seelow (Mark), Dolgelin, Libbenichen Hp, Carcig Hp, Schönfließ Dorf, Letschin, Sietzing, Neutrebbin, Wriezen, Altranft, Schulzendorf, Sternebeck, Leuenberg, Tiefensee, Weftpfuhl, Werneuchen, Seefeld, Blumberg, Ahrensfelde Nord, Ahrensfelde Friedhof
Eisenhüttenstadt
Lossow, Kraftwerk Finkenheerd, Finkenheerd, Wiesenau, Ziltendorf, Eisenhüttenstadt, Neuzelle, Wellmitz, Coschen
Stausberg
Fredersdorf, Petershagen Nord, Strausberg, Herrensee, Rehfelde, Rotes Luch, Müncheberg (Mark), Obersdorf Hp, Trebnitz, Altrosenthal Hp, Gusow
Fürstenwalde
Rahnsdorf, Wilhelmshagen, Erkner, Fangschleuse, Hangelsberg, Fürstenwalde (Spree), Berkenbrück, Briesen (Mark), Jakobsdorf (Mark), Pillgram, Fürstenwalde (Spree) Süd, Bad Saarow-Pieskow, Bad Saarow-Pieskow Süd
Bildung von Komplexdienststellen
Wachstum und die industrielle Entwicklung stellten hohe Anforderungen an die Anlagen und Einrichtungen der Eisenbahn im Knoten Frankfurt (Oder.
Technologische Zwänge und das Erfordernis einer effektiveren Betriebsführung führten dazu, dass ab 1960 Komplexdienststellen gebildet wurden.
Der Bahnhof Oderbrücke, die Güterabfertigung und der Verschiebebahnhof bildeten die Komplexdienststelle Verschiebebahnhof (Ab 29.09.1963 die Umbenennung in Rangierbahnhof).
Im gleichen Jahr wurde aus den vorher selbstständigen Dienststellen Personenbahnhof und der Gepäckabfertigung die Komplexdienststelle Personenbahnhof Frankfurt (Oder) gebildet.
Erst 1968 erfolgte die Zusammenlegung der Bahnbetriebswerke Rbf und Pbf sowie das Bw Wriezen zur Komplexdienststelle Bahnbetriebswerk Frankfurt (Oder)
Ich war bei der Nachrichtengruppe der Deutschen Reichsbahn. Unsere Nachrichtenzentrale befand sich in dem Betonbunker im Hof der Reichsbahndirektion in der ehemaligen Achter-Kaserne an der Oder«, berichtete Friedrich Thieme, der im Frühjahr 1945 nach einem Standortwechsel zur Briesener Straße nur zehn Tage die Stadt verlassen hatte. Seine Eindrücke nach der Rückkehr schildert er so: »Die Stadt war zerstört, und stellenweise qualmten noch die Ruinen. Ich ging auf den Hof der ausgebrannten Direktion. Der Bunker war noch vorhanden. Trotzdem sich nichts Brennbares in dem Bunker befunden hatte, war auch er ausgebrannt.« Damit endete die nur fünfundzwanzig Jahre währende Existenz der Reichsbahndirektion Osten. Die Strecken und Anlagen standen nicht mehr zur Verfügung. Damit erübrigte sich eine Verwaltung. Wurde das Ende der Rbd Osten vom Ausgang des zweiten Weltkrieges bestimmt, so war der Anfang ein Ergebnis des ersten Weltkrieges. Entsprechend dem Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 hatte Deutschland die preußischen Provinzen Westpreußen) und Posen sowie Oberschlesien (mit Ausnahme Danzigs) an die am 7. November 1918 ausgerufene Republik Polen abzutreten. Viele Strecken wurden unterbrochen. Neue Streckenabschnitte, Umgehungskurven und ganze Bahnhofsanlagen, wie im Falle Neu Bentschen, mußten geschaffen werden. Entsprechend den veränderten Grenzen wurden neue Verwaltungsstrukturen notwendig. Kurz zuvor, am 8. Mai 1919, berichtete die Frankfurter Oder-Zeitung über Neuregelungen: »Der Bereich der Eisenbahndirektionen Berlin und Breslau ist erweitert worden. Zu Berlin sind gekommen die Betriebsämter Frankfurt und Guben, die diesen zugeteilten Strecken des Betriebsamtes Wollstein, des Verkehrs- und Maschinenamtes Guben, soweit deren Bezirke sich mit den Bezirken der genannten Betriebsämter decken, die Werkstättenämter in Frankfurt und Guben. Breslau hat erhalten die Betriebsämter Lissa 1 und 2, Glogau 1 und 2, die übrigen freien Strecken des Betriebsamtes Krotoschin und die mit den Strecken dieser Betriebsämter sich deckenden Bezirksteile der Verkehrs- und Maschinenämter Guben, Lissa und Ostrowo. Die Ämter und Strecken gehörten bisher zum Bezirk Posen.«
Im 2. Halbjahr 1919 entstand der Plan, für alle Reststrecken eine eigene Direktion zu schaffen. In einer Verfügung des Preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten Oeser vom 24. Januar 1920 wurde festgelegt, daß »die Eisenbahndirektionen in Danzig, Bromberg und Posen mit dem 10. Januar 1920 aufgehört haben, als Behörden der preußisch-hessischen Staatseisenbahnverwaltung zu bestehen. Zum gleichen Zeitpunkt wurde in Berlin-Charlottenburg die Eisenbahndirektion Osten (ab 1. April 1920 Reichsbahndirektion Osten) gebildet. Die deutschgebliebenen Strecken der ehemaligen Eisenbahndirektionen wurden überwiegend der neuen Eisenbahndirektion zugeteilt«.
Strecken aus den Eisenbahndirektionen Stettin und Breslau kamen hinzu. Dieser neuen, nicht historisch gewachsenen Direktion, unterstanden 1926 19 Ämter, 400 Stationen, 14 Betriebswerke, 93 Bahnmeistereien, 16 945 Köpfe Personalbestand und eine Streckenlänge von 2306 Kilometer. Am 1. Januar 1931 wurden von der Rbd Halle die Streckenabschnitte
Wilmersdorf (ausschließlich)_Frankfurt (Oder) (km 90,81 – 159,90),
Grunow_Beeskow (ausschließlich) (km 0,00 – 8,60) und
Forst (ausschließlich)_Guben (km 1,70 – 27,22)
mit einer Gesamtlänge von 94,21 km übernommen .
Obwohl sich die Stadt Frankfurt eifrig darum bemüht hatte, Direktionsmittelpunkt zu werden, wurde der provisorische Sitz zunächst in Berlin-Charlottenburg in kurzfristig aufgestellten Baracken eingerichtet. In Frankfurt gab es damals weder genügend Wohnungen noch geeignete Verwaltungsräume. Nur ein Teil der ehemaligen Direktion Bromberg, die Verkehrskontrolle I und II und das »Eisenbahn-Drucksachenlager « wurde sofort in Frankfurt stationiert. Als sich im Herbst 1920 herausstellte, daß die Heeresverwaltung bei der Aufstellung des 100 000-Mann-Heeres entgegen früheren Absichten die Kaserne des »Leib-Grenadier-Regiments« aufgab, griff die Eisenbahn zu. Nunmehr meldete die Zeitung am 9. Oktober 1921: »Die Eisenbahndirektion Osten kommt nach Frankfurt. Herstellung von 600 Wohnungen erforderlich. 10 Millionen vom Wohlfahrtsministerium und 6 Millionen von der Stadt zum Wohnungsbau in Aussicht gestellt.«
1922 wurde unter Leitung des Regierungs- und Baurates Martin Kießling begonnen, Eisenbahnwohnbauten zu errichten (siehe Siedlungsgesellschaften). Die eigentliche Übersiedlung der Direktion erfolgte im September 1923. Nicht alle Beamten, die zum großen Teil bereits einen Umzug von Bromberg, Posen oder Danzig nach Berlin hinter sich hatten, waren besonders glücklich darüber; daß sie nun von Berlin nach Frankfurt mußten. Der Präsident der Reichsbahndirektion Osten brachte zum Ausdruck, er sei sicher, daß die Beamten sich hier bald heimisch fühlen würden, und daß auch die, die zunächst schweren Herzens nach hier übergesiedelt seien, bald einsehen, welche Vorzüge Frankfurt vor der Großstadt Berlin habe. In der Oderzeitung vom 7. November 1923 laß man: »Die Übersiedlung der Reichsbahndirektion Osten von Berlin nach Frankfurt a. 0. wurde am gestrigen Montag durch einen Festakt gefeiert, der sämtliche Beamte vereinigte und seinen Höhepunkt in einer Festveranstaltung im Stadttheater fand.« Im Anschluß an diese Veranstaltung trafen sich die Herren der Eisenbahn mit den Vertretern der Stadt im »Prinz von Preußen« und tauschten Reden aus. Oberbürgermeister Dr. Trautmann, der sich enge Beziehungen mit der Reichsbahndirektion Osten wünschte, würdigte vor allem die Leistungen des Schöpfers der Wohnbauten, Regierungs- und Baurat Martin Kießling, »der das Frankfurter Stadtbild außerordentlich verschönt und sich für alle Zeiten ein Denkmal im Stadtbild von Frankfurt errichtet habe. Zum Dank habe der Magistrat heute beschlossen, den Platz am Eingang der Siedlung Paulinenhof ›Kießlingplatz‹ zu nennen.«
Tatsächlich nahmen die Übersiedlung und das Wirken der Rbd Osten erheblichen Einfluß auf die Stadt- und Wirtschaftsentwicklung. Mit den modernen Eisenbahnersiedlungen verbesserte sich auch die Infrastruktur. Nicht zuletzt durch den großzügigen Umbau des Personenbahnhofes und den Neubau der Güterabfertigung hatten viele Frankfurter in schwierigen Zeiten einen Arbeitsplatz. Günstige Zugverbindungen und die Verkehrswerbung wirkten sich positiv aus. 1926 ließ die Reichsbahn in großer Zahl Plakate mit der Aufschrift: »Besucht Frankfurt an der Oder, die Haupt- und Handelsstadt der Ostmark« auf den Bahnhöfen der Umgebung anbringen .
Nach den Reichsbahnstatistiken von 1938 und 1944 unterstanden der Reichsbahndirektion Osten 11 Betriebsämter (Frankfurt, Glogau 1 und 2, Guben, Küstrin, Meseritz, Schneidemühl 1 und 2, Schwiebus, Soldin und Stargard), 4 Maschinenämter (Glogau, Guben, Landsberg, und Schneidemühl), 4 Verkehrsämter (Frankfurt, Glogau, Küstrin und Schneidemühl), die in Frankfurt ansässige Verkehrskontrolle I und II und ab 1. Januar 1938 ein Reichsbahn-Vermessungsamt. Der größte Knoten der Rbd Osten, war Sitz von zwölf selbständigen Dienststellen (Personenbahnhof, Verschiebebahnhof, Bahnbetriebswerk Personenbahnhof, Bahnbetriebswerk Verschiebebahnhof, Fahrkartenausgabe, Bahnhofskasse, Gepäckabfertigung sowie die Bahnmeistereien 1 bis 5).
Präsidenten der Rbd Osten waren:
1919 bis 1923 Jacobs als die Rbd Osten noch in Berlin war
1923 bis 1933 Paul Matibel nach Halle versetzt
1933 bis 1935 Dr. Ing Tecklenburg als Präsident zur Rbd Mainz
1935 bis 1945 Walter Uttech geb. 29. Juni 1878 in Frankfurt (Oder)
Mit den Veränderungen der Direktionsgrenzen war stets auch ein Wechsel in der Zuordnung der Frankfurter Eisenbahnämter und Dienststellen verbunden: So gehörte der Bahnhof Frankfurt bis 30. März 1903 zur Kgl. Eisenbahndirektion Berlin, dann zur 1895 gegründeten Direktion Posen, nach dem Ende des 1. Weltkrieges zu Berlin und schließlich zur Reichsbahndirektion Osten. Nach dem 2. Weltkrieg kam der Rest zur Reichsbahndirektion Berlin. Mitunter wurde das Reichbahnamt Frankfurt in dieser Zeit scherzhaft als »Rbd Osten« bezeichnet.
Wie viele deutsche Städte mit großer Konzentration von Eisenbahnanlagen und –personal weist Frankfurt ein beachtliches Potential von Eisenbahnerwohnungen auf. Die Eisenbahn-Siedlungs-Gesellschaft Berlin (ESG) bewirtschaftete nach der Übernahme ab Oktober 1991 im Territorium des ehemaligen Reichsbahnamtes rund 2000 Wohnungen, darunter 1100 im Stadtgebiet.
Zu Beginn der zwanziger Jahre herrschte in Frankfurt eine eklatante Wohnungsnot, die durch »Geldmangel, Spekulantentum und Bürokratie« gekennzeichnet war. Aussiedler aus den an Polen abgetretenen Provinzen Posen und Westpreußen, darunter viele Eisenbahner, suchten hier eine neue Heimat. Die Stadt war angesichts leerer Kassen nicht in der Lage, dieses Problem aus eigener Kraft zu lösen. Massenquartiere und Behelfswohnungen, u.a. in Baracken des ehemaligen Militärfliegerhorstes, drohten zu »Dauerunterkünften« zu werden. Mit der Übersiedlung der Rbd Osten von Berlin nach Frankfurt, um die sich die Stadt nach dem Wegfall ihrer Rolle als preußisches Garnisons- und Verwaltungszentrum bemühte, war der Zustrom von Beamten mit ihren Familien verbunden.
So entstand zunächst die Idee, Wohnraum in genossenschaftlicher Selbsthilfe zu schaffen. Die ersten 47 Mitglieder gründeten am 27. Oktober 1919 die »Eisenbahner-Heimstätten-Genossenschaft«. Ihre Zahl wuchs bis zum Frühjahr 1920 auf 150 Genossenschafter. Jeder hatte einen Geschäftsanteil von 300 Reichsmark beizubringen. 1921 entstanden an der Markendorfer Straße auf Bauland der Eisenbahn die ersten 16 Dreizimmer-Wohnungen in »Einzelhäusern für je 4 Familien in einfacher Weise unter Beigabe eines Stalles und etwa 400 qm Garten«. Trotz der grassierenden Geldentwertung schaffte es die Genossenschaft, 1922/23 weitere 40 Wohnungen zu bauen. Die Geldnot und der Mangel an Baumaterialien zwangen zu billiger und einfacher Bauweise. Das Ende der Inflation bescherte dem Unternehmen den Verlust des ohnehin nicht üppigen Betriebskapitals. Deshalb mußte 1924 jedes Mitglied neue Geschäftsanteile von 30 Goldmark aufbringen. Die Rbd Osten drängte auf den Bau weiterer Wohnungen. Die Stadt stellte Baugelände in der Hindenburg- und Wißmannstraße zur Verfügung und die DRG sicherte die Endfinanzierung. Die Genossenschaft setzte sich der »außergewöhnlichen Belastung« aus, übernahm teure Zwischenkredite und baute 1924/25 18 Mehrfamilienhäuser in geschlossener Bauweise mit insgesamt 87 Wohnungen (Tabelle).
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Wohnungsbestand der Eisenbahner-Heimstätten-Genossenschaft e.G.m.b.H. Ende 1929
Standort | erbaut Jahr |
Häuser Anzahl |
Wohnungen Anzahl |
Wohnfläche in m² |
Markendorfer Straße | 1921 | 4 Doppelhäuser | 16 | 65 |
Beeskower Straße |
1922 |
2 Doppelhäuser | 8 | 65 |
3 Doppelhäuser | 12 | 51 | ||
Gelbe Presse (Puschkinstraße) | 1923 | 3 Häuser | 12 | 70 |
2 Häuser | 8 | 53 | ||
Wißmannstraße 36-40 (Käthe-Kollwitz-Straße) | 1924/25 | 5 Häuser | 4 | 97 |
8 | 80 | |||
8 | 65 | |||
Wißmannstraße 5-8 | 1924/25 | 4 Häuser | 16 | 80 |
Hindenburgstraße 104-110 (August-Bebel-Straße) | 1924/1925 | 7 Häuser | 3 | 111 |
17 | 84 | |||
18 | 68 | |||
Büro mit |
zwei Räumen | |||
Hindenburgstraße 102/103 | 1927 | 2 Häuser | 6 | 85 |
6 | 68 | |||
Wißmannstraße 9-11 | 1927 | 3 Häuser | 8 | 67 |
4 | 83 | |||
Beeskower Straße- Ecke Markendorfer Straße | 1929 | Gebäudekomplex | 3 | 100 |
8 | 83 | |||
16 | 60 | |||
6 | 70-84 | |||
Summe | 187 |
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Der Wohnkomfort war für die damalige Zeit durchaus bemerkenswert. Vierzimmerwohnungen verfügten über ein eigenes Bad, für alle anderen Wohnungen wurden Gemeinschaftsbäder in den Kellern installiert. 1927 und 1929 kamen weitere Vorhaben hinzu, sodaß die Heimstättengenossenschaft zehn Jahre nach ihrer Gründung einen Bestand von 187 Wohnungen, erbaut mit einem Kostenaufwand von zwei Millionen Mark, aufweisen und feststellen konnte, »zur Behebung der furchtbaren Wohnungsnot trotz der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse nach besten Kräften mitgewirkt« zu haben.
Im 2. Weltkrieg konnten noch 21 Wohnungen gebaut werden. Mit Wirkung vom 14. Mai 1944 wurde die Genossenschaft »im Zuge wohnungspolitischer Maßnahmen« (?) liquidiert, auf die »Siedlungsgesellschaft Mitteldeutschland« mit Sitz in Halle (Saale), die »den Wohnbesitz der Deutschen Reichsbahn in allen Gauen betreute«, überführt und als Zweigniederlassung dieser Gesellschaft geführt. Diese Zentralisation wurde nach dem Ende des Krieges wieder aufgehoben. Zum Zeitpunkt der Liquidation betrug der Bestand 220 Wohnungen.
Die Aktivitäten der Genossenschaft in den zwanziger Jahren konnten aus den geschilderten Gründen den enormen Wohnungsbedarf der Eisenbahner nur teilweise decken. 700 Beamte der Reichsbahndirektion saßen in der Leibgrenadierkaserne »auf warm und trocken gelegenen Amtsstühlen, aber für fast ebenso viel Familien fehlten die Wohnungen. Diesem Mangel (war) nicht mit kleinlichen Maßnahmen abzuhelfen, denn es handelte sich in der Mehrzahl um Familien, die nach der Räumung des Ostens reichlich herumgeschüttelt, ... nun endlich eine neue , freundliche Heimat zu gewinnen hofften.« Mit diesen Worten schilderte der Regierungsbaumeister Martin Kießling in seinem 1925 erschienenen Buch »Ostmarkbauten« die Situation als er sich 1921 entschloß, dem Ruf des Direktionspräsidenten und des Frankfurter Oberbürgermeisters Dr. Trautmann an die Oder zu folgen. Kießling (1879 – 1944) war nach seinem Architekturstudium an der Technischen Universität Charlottenburg seit 1908 bei der Eisenbahndirektion Köln u.a. mit der Projektierung und dem Bau von Eisenbahnsiedlungen befaßt. Er stellte sich mit Begeisterung, Umsicht und seinem im Rheinland gesammelten Erfahrungen der enormen Aufgabe, 600 Wohnungen für die Frankfurter Eisenbahner zu schaffen.
Zwischen 1922 und 1925 entstanden an sieben Standorten im Stadtbild Wohnensemble eines »ersten sozial orientierten Wohnungsbaus«, die heute von Fachleuten als Kleinode städtebaulicher und baukünstlerischer Architektur bewertet werden. Die Stadtväter hatten auch für dieses ehrgeizige Projekt kein Geld, konnten aber rund um das Stadtzentrum baufreie Plätze und südlich der Hindenburgstraße (heute August-Bebel-Straße) Grund und Boden des städtischen Pachtgutes Paulinenhof zur Verfügung stellen. Der Präsident setzte bei der Generaldirektion die Finanzierung durch. Damit war die Grundlage für die »Siedlungsgesellschaft Ostmark m.b.H.« gegeben. Kießling begann 1922 als Geschäftsführer, Projektant und Bauleiter mit den ersten Bauten. Ihm zur Seite standen zwei Bildhauer und ein Maler, denn er hatte sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur sozial verträglichen und, dem Einkommen der Eisenbahner angemessenen, Wohnraum zu schaffen, sondern mit »sparsam verteilten Zierden (den) sonst nüchternen Häusern einen Schimmer von Behaglichkeit« zu geben. Die architektonische Krönung stellte die »für einfache Beamte« errichtete Gartensiedlung Paulinenhof mit 300 Wohnungen, alle mit Bädern und WC ausgerüstet, Ställen und Hausgärten, Kinderspielplätzen und Grünanlagen dar. Eisenbahn und Stadt ehrten das Wirken 1923 mit der Benennung des Areals vor dem Eingangsportal der Siedlung als »Kießlingplatz«. Wie im Paulinenhof für die »einfachen Beamten« hatten die Bauleute, zeitweilig waren bis zu 1700 Bauhandwerker beschäftigt, Wohnungen für die höhere Beamtenschaft zu errichten.
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Wohnungsbestand im Bereich der ehemaligen Siedlungsgesellschaft Ostmark .
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1925 1999
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Paulinenhof | 324 |
183 |
Südliches Eckgebäude am Kießlingplatz 1945 stark beschädigt, Thorner Grund (Joseph-Haydn-Straße) 2-13, 20/21/22, 27/28 ausgebrannt und abgebrochen. 17 Wohnungseinheiten (WE) minus.218 WE in Einzelhäuser wurden bis Ende November 1999 verkauft. |
K.- Sobkowskist-Str | 72 |
38 |
Nr.1-3, 19-22, 27, 28 und vom Wappenhaus Nr. 4 rechter Flügel 1945 zerstört, 35 WE minus |
Humboldstraße | 33 |
58 |
Bis Kriegsende 6WE Nr. 6-10 und WE Nr. 15-20 |
Bergstraße | 18 |
20 |
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Grüner Weg | 18 |
18 |
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Wieckestraße | 81 |
6 |
Im früheren Gebäudekomplex »Wieckeplatz« gab es vor Kriegsende 81 WE. 1945 sind etwa 50 % der Häuser ausgebrannt. Die AWG* hat einige Kießlinghäuser (Wieckestr. 12 WE u. F.-Mehring-Str.38 WE) vorwiegend für Eisenbahner wieder ausgebaut . |
Franz-Mehring-Str | 22 |
Nr. 8, 12-14 | |
Leipziger Straße | 16 |
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1945 Bombenschaden am Südostflügel. Bewohnt bis 1996, längere Zeit von Jugendlichen besetzt, jetzt baufällig und verkauft. |
Kiliansberg | 28 |
.Diese vom Reichsbahnrat Beringer geschaffenen Gebäude wurden nach 1945 durch Sowjetbürger für Wohnzwecke und als Hotel genutzt Im Jahr 2000 rekonstruiert. Wird als Wohnanlage genutzt |
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*) Die Arbeiter Wohnungsbaugenossenschaft (AWG) Einheit und Frieden wurde 1954 gegründet und durch die DR gefördert. 1957
entstand die AWG Solidarität. Beide schlossen sich 1960 zur AWG Friedensgrenze zusammen (ab 27. September 1990
Wohnungsbaugenossenschaft Frankfurt (Oder) eG).
**) Große Wohnungen wurden nach dem 2. Weltkrieg aufgeteilt
Am Grünen Weg, in der Leipziger Straße und in der Humboldstraße zogen mittlere und leitende Beamte ein. Kießling legte auch hier neben der Projektierung von für die damalige Zeit komfortablen Wohnungen großen Wert auf eine architektonisch und künstlerisch aufgelockerte Fassadengestaltung. Hervorzuheben ist der in der damaligen Fachpresse gewürdigte farbig gestaltete Wappenerker am Hause Elisabethstraße 4 (heute Karl-Sobkowski-Straße) im Komplex Grüner Weg. »Sein festliches, mit den Frankfurter Stadtfarben und Wappen verloren gegangener Städte des Ostens und Westens geschmücktes Gewand macht(e) ihm zugleich zum Wahrzeichen des Stadtteils und zum mahnenden Hüter der Erinnerung an stolze Tage.« Diese, wohl auch als Ausdruck revanchistischen Geistes auslegbare Gestaltung, wurde in den sechziger Jahren überputzt.
Mit besonderer Aufmerksamkeit widmete sich der Architekt und Baumeister dem Gebäudekomplex am Anger mit der »Präsidentenvilla«. Auf der einstigen Gänsewiese der Gubener Fischervorstadt, die seit der Zeit Friedrich des Großen als Exerzierplatz der Leibgrenadiere diente, hatte die Stadt »in kurzer Zeit prachtvolle gärtnerische Anlagen hervorgezaubert«. Hier schien, wie Kießling schrieb, »eine heitere Architektur erwünscht von derart breiter Entfaltung, daß sie den Spielraum zwischen den beiden ... Baumalleen ausfüllte«. Die Stadtverwaltung stellte das Gelände neben der Gertraudenkirche zur Verfügung. Entwurf und Bauausführung des Gebäudes berücksichtigen die »räumliche Beziehung zu den vorhandenen alten Häusern am Kellenspring« und fügten sich in das umgebende parkartige Grün ein. Hinter der repräsentative Fassade des Gebäudes verbirgt sich die Präsidentenwohnung mit Empfangshalle, Festsaal, Bibliothek, Musikzimmer und Gästezimmern. Die angrenzenden Wohnungen waren für die engeren Mitarbeiter des »gehobenen Dienstes« bestimmt.
Die Mehrzahl der »Kießlingbauten« haben die Zerstörungen in der »Festung Frankfurt« im Frühjahr 1945 überlebt, bzw. wurden nach dem Krieg wieder aufgebaut. In den achtziger Jahren investierte die Reichsbahn 3,5 Millionen Mark in die Modernisierung, Werterhaltung und originalgetreue Rekonstruktion von immerhin 145 Häusern. Damit waren bis zu sechzig Handwerker der Hochbaumeisterei beschäftigt. Die im Paulinenhof wohnenden Eisenbahner trugen mit Eigenleistungen im Wert von 150 000 Mark zum Erhalt ihrer Siedlung bei.
Nach der Wende wurde dieses Programm mit einer umfassenden Rekonstruktion der Gartensiedlung mit denkmalpflegerischen Auflagen und Innensanierung fortgeführt. Die ESG brachte dafür 1992 3,5 Millionen DM auf und sich selbst »fast an die Grenze ihrer Möglichkeiten«. Die Häuser am Kießlingplatz erstrahlen nun wieder in originalgetreuer Farbgebung in kräftigem Ocker.
Die Landesregierung würdigte die Arbeiten zum Erhalt dieses städtebaulichen Kleinods Frankfurts mit der Verleihung des Brandenburgischen Denkmalpflegepreises 1995 an die Eisenbahnsiedlungsgesellschaft. Die Freude der Bewohner wurde getrübt, als im Sommer 1996 durch Anzeigen in der örtlichen Presse bekannt wurde, daß das Bundeseisenbahnvermögensamt die Häuser zum Verkauf anbietet. Der »Frankfurter Stadtbote« meldete am 7. Juli 1996: »Denkmal auf der Verkaufsliste erzeugt Ärger. Die Idylle trügt: Hinter den zum Teil bereits sanierten Fassaden der Wohnbauten ist die Ruhe vorbei.« Die »Märkische Oderzeitung« zitiert eine Mieterin: »Jetzt sollen hier die Eisenbahner über den Tisch gezogen werden. ... Für 30 000 Mark (Kaufpreisvorstellung) stehen 114 Quadratmeter unrenovierte Wohnfläche in der Liste, für 213 000 Mark gibt es 115 teilrenovierte Quadratmeter.« Stolze Summen, die aufzubringen besonders den Eisenbahnern im Ruhestand nicht leichtfallen. Proteste der Bahnbetriebsräte halfen nicht, auch nicht der Appell an die Stadt, sie solle ein »Aufsplittern« der denkmalgeschützten Substanz zu verhindern suchen. Inzwischen sind zwei Drittel der Wohnsubstanz in Privathand.
Zur Sicherung der »Erhaltung der Eigenart der Gartensiedlung Paulinenhof, die auf eine einheitliche Städtebauliche und architektonische Planung zurückgeht« hat die Stadtverordnetenversammlung mit Wirkung vom 22. April 1999 eine »Gestaltungssatzung« beschlossen. Sie schreibt vor, daß Altbauten in ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild zu erhalten und bauliche Anlagen so zu errichten, zu
Ändern und zu unterhalten sind, daß sie nach Form, Maßstab, Gliederung, Material und Farbe den historischen Charakter, die künstlerische Eigenart und die städtebauliche Bedeutung der das Stadtbild prägende Bebauung nicht beeinträchtigen. Damit ist, zumindestens formaljuristisch, der historische Charakter der Kießlingsiedlung im Sinne ihres Erbauers gesichert. Es bleibt zu hoffen, daß sich die heutigen Eigentümer diesem Anliegen ebenfalls verpflichtet fühlen.
Dienstort Frankfurt (Oder)
Nach Gründung der DDR und stärkerer Durchsetzung planwirtschaftlicher Prinzipien wurde es für die Deutsche Reichsbahn immer schwieriger, Arbeitskräfte oder Baukapazitäten zu erhalten. Die territorialen Bilanzierungsorgane sorgten primär für die Wirtschaftsbereiche, für die sie Verantwortung trugen. Die Ergebnisse der Eisenbahn wurden zentral abgerechnet, kein Bürgermeister hatte sie zu verantworten, die Deutsche Reichsbahn blieb weiterhin „Staat im Staate“. An Abstimmungen mit den Territorien nahmen Eisenbahner verschiedener Leitungsebenen teil. Um diesen Mangel abzuschwächen, wurde ab 1959 in Orten mit mehreren Eisenbahndienststellen ein Dienstvorsteher als »Dienstortältester« eingesetzt.
Verkehrsgeschichtliche Blätter 2-2002
Ende Januar 2002 wurde nach gut drei Jahren Bauzeit der Umbau des Bahnhofs Fürstenwalde abgeschlossen. Es entstanden drei neue, teilweise überdachte Bahnsteige sowie eine 40 in lange Bahnsteig-Zugangsbrücke. Außerdem wurden 8 km Gleis und 20 Weichen neu gebaut. Ein 200 m langer Fuß- und Radwegtunnel unterquert die drei Gleise der Bahn an der Eisenbahnstraße. Bis 2003 soll eine neue Straßenbrücke entstehen. Die alten Stellwerke wurden von einem elektronischen Stellwerk ersetzt, an das 100 Weichen und etwa 15 km Strecke angeschlossen sind. Insgesamt wurden seit 1999 49 Mio. Euro investiert.
-Presse-Info DB v. 25.1.2002-